Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer und die VVN-BdA protestierten bei der dänischen Regierung gegen das Skandalurteil.
»Når uret bliver ret bliver modstand til en pligt« – »Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht« stand unübersehbar auf einem Transparent vor dem Kopenhagener Stadtgericht, eingerahmt von Traditionsfahnen der Gewerkschaften und antifaschistischer Organisationen. Um die 200 Gewerkschafter und Antifaschisten hatten sich morgens um acht Uhr versammelt, um ihre Solidarität mit Anton Nielsen, Vorsitzender der »Horserød-Stutthof Foreningen« (ein Zusammenschluss ehemaliger KZ-Häftlinge und ihrer Angehörigen) und mit Viggo Toften- Jørgensen, Sprecher der gewerkschaftlichen Organisation »Den Faglige Klub« zu bekunden und sie anschließend in den Gerichtssaal zu begleiten.
Beide waren – stellvertretend für ihre Organisationen – wegen angeblicher Unterstützung terroristischer Vereinigungen angeklagt. Sie, bzw. ihre Organisationen, hatten Spenden für die humanitäre Arbeit der kolumbianischen FARC, konkret den Aufbau einer Bibliothek – und der palästinensischen PFLP, hier für den Wiederaufbau im zerstörten Gazastreifen, gesammelt und überwiesen. Beide Organisationen stünden auf der Terroristenliste der USA und der EU, daher sei ihre materielle Unterstützung nach den auch in Dänemark nach dem 11.September massiv verschärften Terroristengesetzen strafbar, so die Anklage.
Nach zwei Tagen Verhandlung lautete das Urteil: 6 Monate Haft auf Bewährung für Viggo Toften- Jørgensen, 6 Monate, davon jedoch nur 4 Monate auf Bewährung, für Anton Nielsen. Der 72-jährige Antifaschist soll auf jeden Fall für 2 Monate ins Gefängnis. Außerdem soll die Horserød-Stutthof Foreningen 20 Tagessätze á 500 dkr (insges. ca. 1.350,-€) zahlen. Der Gerichtsvorsitzende stellte hierzu fest: »Manchmal gibt es Unterschiede zwischen Recht und Gerechtigkeit. Wir haben hier das Gewicht auf das Recht gelegt.«
Das Datum des Prozesses weckte bei Anton Nielsen Erinnerungen: fast auf den Tag genau vor 70 Jahren wurde sein Vater, der kommunistische Folketingabgeordnete und Widerstandskämpfer Martin Nielsen, verhaftet , den faschistischen Besatzern übergeben und ins KZ Stutthof eingeliefert. In seinem kämpferischen Schlusswort geißelte Anton Nielsen die verschärfte Flüchtlingspolitik, die Antiterrorgesetzgebung und den stetigen Abbau demokratischer Grundrechte:
» Der Eindruck hat sich verfestigt – auf jeden Fall bei mir – dass die Gesetze nach dem ewig wiederholten Mantra ausgeformt und gebeugt werden – Strafe. Die Justiz ist heute, wie unter der Besatzung, wenn sich noch jemand daran erinnern kann, dem Gutdünken und politischen Bedürfnissen der politischen Machthaber unterworfen. Jetzt wie damals wird nach ihren – der Machthaber – politischen Meinungen und Zielen abgestimmt. Die Gesetze werden sozusagen für die Gelegenheit gemacht (…).«
Ausführlich setzte sich Anton Nielsen mit dem Vorwurf, den Terrorismus zu unterstützen, auseinander: Die Horserød-Stutthof Foreningen kämpfe von Beginn an für eine gerechte, humanitäre Weltordnung auf der Grundlage der Menschenrechtsdeklaration. Er verwies aber auch auf die Beschlüsse der UN, die den Befreiungsbewegungen ausdrücklich das Recht auf Widerstand zuerkennen und sich gegen ihre Gleichsetzung mit dem Terrorismus aussprechen. Und er fragte: Sind nicht auch die unerklärten Angriffskriege, von Jugoslawien bis Libyen, an denen sich Dänemark als treuer Vasall der USA und EU beteiligt, Terror?
Doch dem Gericht ging es nicht um die Klärung juristischer oder politischer Sachverhalte. Hier sollte ein Exempel statuiert werden. Der Staatsanwalt sprach es gleich zu Beginn aus: eine milde Strafe komme nicht in Betracht, sie solle disziplinierend wirken, denn die Angeklagten seien uneinsichtig. So verbrachte der Staatsanwalt viel Zeit damit, aufzuzeigen, wo und wie – z.B. Anton Nielsen am 1.Mai auf der zentralen Kundgebung im Fælleparken – seine grundsätzlichen Positionen offensiv vertreten hätte.
Anton Nielsen betonte: »Ich sehe den Prozess gegen die Horserød-Stutthof Foreningen und andere Gerichtsverfahren, die kommen mögen, bevor die jetzige Terrorgesetzgebung endlich abgeschafft worden ist, als Teil eines ständigen drängenden Kampfes für die dänische Demokratie. Eine Demokratie, die von den jetzt gültigen Terrorgesetzen angetastet wird. Das Problem ist, dass die Bestimmungen über Terrorismus so umfassend ausgeformt sind, so unklar und so zweideutig, dass demokratische Traditionen, für die das dänische Volk durch Jahrhunderte gekämpft hat, ohne weiteres verschwinden, wie Sand zwischen den Fingern. Das ist es, worauf wir aufmerksam machen und wovor wir warnen wollen, und über das wir das Gericht nachzudenken bitten.«
Zumindest einer der drei Richter scheint nachgedacht zu haben, er sprach sich gegen die Freiheitsstrafen aus, zumindest für eine vollzeitliche Bewährungsstrafe, und forderte als Geldstrafe nur einen symbolischen Tagessatz von einer Krone.
Quelle: http://antifa.vvn-bda.de