Erneuter Gefängnisaufstand in Mittelamerika

Gefangenenaufstand im nordnicaraguanischen Estelí konnte ohne Tote beendet werden. Überbelegung Ursache für Eskalation in Gefängnissen Mittelamerikas

Von Timm B. Schützhofer

amerika21.de

29.02.2012 00:00

Ésteli, Nacaragua. Im Gefängnis „Puertas de la Esperanza“ der nordnicaraguanischen Großstadt Ésteli ist es am Freitag vergangener Woche zu einem Aufstand von Insassen gekommen. Der Gefängnisdirektor wurde von Gefangenen als Geisel genommen. Nach nicaraguanischen Medienangaben gab es 16 Verletzte, zumeist Polizisten und Gefängnispersonal.

Auslöser war offenbar ein Streit zwischen einem Gefangenen und einem Wärter, der sich auf  weitere Insassen der Vollzugsanstalt ausweitete. Als der Gefängnisdirektor eintraf, um die Situation zu beruhigen, wurden er und seine Begleiter mit Steinen beworfen und schließlich als Geiseln genommen. Außerdem wurden einige Matratzen und Teile der Räumlichkeiten in Brand gesetzt, in denen die Gefangenen Unterricht erhalten, sowie ein Besuchsraum. Die Feuerwehr konnte den Brand löschen.

Der Aufstand begann während der Besuchszeit für Familienmitglieder. Während der Geschehnisse sollen Sicherheitskräfte, um Fluchtversuche zu verhindern, präventiv in die Luft geschossen und Tränengas eingesetzt haben. Nachdem sich die Lage beruhigt hatte, wurde eine Verhandlungskommission aus Müttern der Insassen und fünf Delegierten der aufständischen Häftlinge gebildet. Vize-Innenminister Carlos Nájar Centeno sowie Estelís Bürgermeister Francisco Valenzuela konnten eine Lösung auf dem Verhandlungsweg erreichen.

Die Beauftragte der Regierung für Gefängnisangelegenheiten, Elena López, erklärte, dass man auf Forderungen der Gefangenen eingegangen sei, die unter anderem niedrigere Preise für die im Gefängnis verkauften Produkte, eine bessere Ernährung und ein Ende der Justizverschleppung, durch die einige Gefangene monatelang auf ihre Freilassung warten müssen, verlangten. Die Regierung sei dazu bereit, die Situation der Gefängnisse im ganzen Land zu verbessern. So seien bereits der Bau von zwei Frauengefängnissen in Bluefields und zwischen Masaya und Managua sowie ein weiteres Gefängnis in Granada geplant.

Vertreter der regierungskritischen Menschenrechtsorganisation CENIDH machten in einer ersten Reaktion die Verletzung der Menschenrechte von Gefangenen und die Überbelegung des Gefängnisses als Ursache für den Aufstand aus. Ursprünglich sei das Gefängnis in den 1980er Jahren für 600 Gefangene gebaut worden, nun aber mit 1400 Personen belegt. Am Montag beklagten Menschenrechtsorganisationen zudem, dass ihnen die Regierung weiterhin den Zugang zu dem Gefängnis verweigere.

Nach einem Bericht des costaricanische Wissenschaftszentrum Programa Estado de la Nación (PEN) haben sich die Haftbedingungen in  Zentralamerika durch Aufstände, Brände und Morde in den letzten Jahren  massiv verschlechtert. In ihrem Bericht über die Lage in der Region machen die Wissenschaftler des PEN als Ursachen in erster Linie die chronische Überbelegung der Haftanstalten aus. Nicaragua weist mit 110 Prozent noch die niedrigste Belegungsquote der Region aus. In Honduras, El Salvador und Guatemala kommen auf einen Gefängnisplatz mehr als zwei Gefangene.

Erst vor zwei Wochen waren in Honduras bei einem Gefängnisbrand über 300 Menschen ums Leben gekommen. Die Opferzahlen lagen derart hoch, weil die Wärter trotz des Brandes die Zellen verschlossen hielten und  auf fliehende Gefangene schossen. Auch der Feuerwehr wurde erst nach Verzögerung Zugang zum Brand ermöglicht. Eine internationale Untersucherungskommission hatte einen Aufstand als Ursache für den Brand ausgeschlossen. Schuld an dem Brand in der Vollzugsanstalt Comayagua soll nach Angaben der Untersuchungsbericht eine brennende Zigarette gewesen sein.

Die Ereignisse in Estelí zeigen nun einerseits, dass es auch in Nicaraguas Gefängniswesen dringend geboten ist, die Lage der Gefangenen zu verbessern, andererseits aber auch die für Lateinamerika beispielhafte Orientierung nicaraguanischer Sicherheitskräfte und politisch Verantwortlicher auf Deeskalation und Verhandlungslösungen, durch die Schlimmeres verhindert werden konnte.

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