Situation in Catatumbo (Kolumbien)

Die Region Catatumbo liegt im Nordosten Kolumbiens und sie besteht aus neun Gemeinden im nördlichen Teil des Bundesstaates Norte de Santander: Convención, El Tarra, Hacarí, Teorama, San Calixto, La Playa, Sardinata, El Carmen und Tibú. Die Region hat ihren Namen von den Gewässern des Flusses Catatumbo, der in den Maracaibo-See auf der Seite Venezuelas mündet. Die Region ist aufgrund der politisierten Bauernbewegungen eine der sozialen Heimstätten der beiden Guerillabewegungen FARC-EP und ELN. Seit Jahren wird die Region durch kolumbianische Sicherheitskräfte aufgerüstet, was zu Konflikten mit Guerilla und Bevölkerung führt.

Catatumbo ist ein Gebiet, das aufgrund der Vielzahl von Klimazonen und sehr guten Böden für die Landwirtschaft bestens geeignet ist. Hier werden verschiedene Arten von Nutzpflanzen wie Kaffee, Kakao, Mais, Bohnen, Reis, Kochbananen und Yucca angebaut. Die tiefer gelegene Region wird vor allem zur Viehzucht verwendet, die Flüsse sind reich an Fischen, Bodenschätze finden sich überall in Catatumbo (vor allem Öl und Kohle) und Forstwirtschaft wird hier ebenfalls betrieben. Mit der Hauptstadt Cúcuta, ihrer Industrie und der nahe gelegenen venezolanischen Grenze ist die Region von geopolitischer und geoökonomischer Bedeutung.
Der Fluss Catatumbo fließt von Süd-West nach Nord-Ost-durch den Bundesstaat Norte de Santander. Es wird geschätzt, dass 60% des Süßwassers des Maracaibo-Sees von diesem Fluss stammen. In ihm münden die Flüsse Tarra, San Miguel, Río de Oro, Socuavo (Süd) , Socuavo (Nord), Tibú, Sardinata und viele andere. Das Becken in Norte de Santander hat eine Fläche von 16.626 km² und macht 75% des Territoriums aus. Für 33 Gemeinden und eine Bevölkerung von insgesamt 1.184.548 Einwohnern ist es die einzige Wasserquelle.

Hier liegt der nationale Naturpark Catatumbo-Bari, welcher im September 1989 gegründet wurde. Die Fläche umfasst 158.125 Hektar und Höhenlagen von 200 bis 1800 Meter über dem Meeresspiegel. Gefunden wurden hier 541 Arten und Unterarten von Vögeln, hinzukommen seltene Insekten, Amphibien, Reptilien und Säugetieren wie der Brillenbär. Außerdem ist Catatumbo Teil des Waldreservates Serranía de los Motilones, einer von insgesamt sieben nationalen Waldreservaten. Sie dienen der behutsamen Forstwirtschaft, zeitgleich sollen aber die Böden und die Tierwelt geschützt werden.
Catatumbo ist das Zuhause des indigenen Volkes Motilón Bari. Sie haben 23 Gemeinden, die etwa von 3.200 Menschen bewohnt werden. Im Laufe der Jahre erkannte die Regierung zwei indigene Schutzgebiete an, Caricachaboquira mit rund 13.300 Hektar und Motilón Bari mit einer wesentlich größeren Fläche. Zudem genießen offiziell einige Gemeinden den Schutz der indigenen Kultur. Mehr als 200.000 Bauern leben aktuell in der Region von der Landwirtschaft, der Fischerei und der Viehzucht.

Erst 1999 kamen die Paramilitärs in die Region. Es war das Einsatzgebiet des „Block Catatumbo“ angeführt von Salvatore Mancuso und dem „Nord-Block“ unter dem Kommando von Jorge 40. Der Block Catatumbo demobilisierte am 10. Dezember 2004 und der Nord-Block am 8. und 10. März des Jahres 2006. Insgesamt verließen nach offiziellen Angaben der Regierung Uribe knapp 6200 Paramilitärs ihre beiden Organisationen, mehr als 4700 Waffen wurden übergeben. Zurück blieben10.000 Tote, über 600 vermisste Personen und mehr als 100.000 Vertriebene. Doch die Demobilisierung war, wie überall im Land, eine Farce. Stattdessen konnten mit den Programmen für Demobilisierte illegal erworbene Ländereien legalisiert und monatliche Unterstützungszahlungen für die „ehemaligen“ Paramilitärs arrangiert werden. Der Dachverband AUC und die beiden Blöcke im Catatumbo verschwanden zwar, doch nun entstanden neue Gruppen wie zum Beispiel die Aguilas Negras (Schwarzen Adler). Dort wo es wirtschaftliche Interessen der Regierung oder transnationaler Konzerne gibt, wird der Nährboden für paramilitärische Gruppen gelegt. Von Politikern, Großgrundbesitzern und den Konzernen selbst bezahlt, sind sie dafür zuständig, Land durch Vertreibung zu akquirieren und gewerkschaftliche Betätigung sowie sozialen Protest zu beseitigen.

Gründe für sozialen Protest gibt es genug. Unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung werden in Catatumbo immer noch Tausende Hektar des Naturparks und des Waldreservates zerstört, die jedoch Lebensgrundlage der indigenen und bäuerlichen Bevölkerung sind. Dort, wo tatsächlich Koka angebaut wird, geschieht dies, weil die Indigenen und Bauern sonst keine weiteren Existenzgrundlagen haben. Um Alternativen hat sich die Regierung nie gekümmert, der Zugang zu sozialen Dienstleistungen ist miserabel. Das beim Sprühen der Flächen verwendete Glyphosat kontaminiert die Wasserquellen und die Böden und sorgt für Krankheiten, die zum Tod bei Menschen und Tieren führen. Rund sieben Jahre brauchen die Böden um sich zu regenerieren. Bauern und Indigene werden so gezwungen, ihr Land zu verlassen.

Des Weiteren ist die Region reich an Kohlevorkommen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Catatumbo mehr Mengen zu erwarten sind, als derzeit in La Cerrejón, eine der größten Kohleminen der Welt im etwas weiter nördlich gelegenen Bundesstaat La Guajira. Zwei kanadische, ein mexikanisches und fünf kolumbianische Unternehmen sind an der Erkundung und Ausbeutung der Kohlereserven beschäftigt. Derzeit findet der Übertage-Abbau auf einer Fläche von 28.000 Hektar in den Gemeinden Convención, Teorema, Tibú und El Tarra statt. Während früher zwischen 60.000 und 80.000 Tonnen pro Jahr gefördert worden sind (zum Beispiel durch das Unternehmen Geofisin EU) soll die Förderung auf bis zu 750.000 Tonnen gesteigert werden. Eine Tonne Kohle wird aus bis zu sechs Tonnen Abraum gewonnen, das heißt also, dass fünf Tonnen an Boden und primärer Vegetation zerstört wird. Der Abbau erfolgt meist mit Dynamit, das Sprengverfahren benötigt hierbei große Mengen an Wasser, um Staub- und Feuerentwicklung zu vermeiden. Immer mehr Wasser und große ehemalige landwirtschaftliche Anbauflächen werden so verschmutzt und zerstört.

Hinzu kommt eine über Jahre anhaltende Militarisierung der Region. Mit der Sicherheitspolitik der „Demokratischen Sicherheit“ sollte vor allem in den ökonomisch wichtigen Gebieten eine dauerhafte militärische Präsenz aufgebaut werden. Begründet wurde dies nicht nur mit dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen, sondern auch mit dem Schutz der Menschenrechte. Paradoxerweise haben die Menschenrechtsverletzungen aber nicht abgenommen, sondern die außergerichtlichen Tötungen von Oppositionsführern, Guerilleros und Bauern liegt weiterhin auf einem hohen Niveau. Oft handeln Armee und Paramilitärs sogar Hand in Hand und tauschen sich gegenseitig Informationen aus. Die Armee versucht in Kämpfen die Guerilla zu vertreiben, anschließend rücken die paramilitärischen Gruppen nach und versuchen mittels Einschüchterung und Terror die Bevölkerung zu unterdrücken.

Im November 2011 stellten Präsident Santos und sein Verteidigungsminister eine neue Militärstrategie vor. Diese bedeutete einen Anstieg der Sicherheitskräfte im Land, die Schaffung neuer gemeinsamer Einheiten von Militär und Polizei in Zonen wie Cauca, Nariño, Norte de Santander und Arauca, die vor allem der Aufstandsbekämpfung dienen, sowie dem Ziel von Töten von Führungspersonen der höheren und mittleren Ebene der Guerilla. Dabei unterscheidet das Militär drei verschiedene Zonen. Zone 1 sind neuralgische Gebiete, die von großer Bedeutung für das Land sind. Hierzu zählen insbesondere der Schutz von Öl- und Bergbaufördergebieten und deren Anlagen, Straßen und Kommunikationswege. In Catatumbo ist es die Kohleförderung und das Verkehrsnetz zu Venezuela. Zone 2 sind Gebiete in denen Angriffe auf Ziele mit hohem Wert stattfinden sollen. Hierunten werden Gebiete gefasst, in denen hohe Anführer der Guerilla vermutet werden. Seit 2008 waren es die Bundesstaaten Tolima und Cauca auf der Suche nach FARC-EP Anführer Alfonso Cano, aktuell ist es Catatumbo auf der Suche nach dem neuen Anführer Timochenko. Zone 3 sind Gebiete, in denen das Militär sie strategische Initiative zurück gewinnen will. Hier gibt es hohe Konfrontationen, quasi einen „richtigen Krieg“. Neben Catatumbo betrifft dies unter anderem den Süden von Meta und Caquetá.

Aufgrund der Repression und der jahrzehntelangen Verbundenheit mit der Bevölkerung sind neben der 33. Kampffront der FARC-EP viele mobile Kolonnen der aufständischen Bewegung aktiv. Allesamt stehen sie unter dem Kommando des militärischen Blockes „Magdalena Medio“ der FARC-EP. Hierzu zählen zum Beispiel die Kolonnen „Resistencia del Barí“, „Resistencia Catatumbo“, „Gabriel Gálviz“ und die Kolonne „Arturo Ruiz“. Über 30 Jahre ist die FARC-EP als politisch-militärische Organisation in der Region verankert, und genau so lange im Widerstand gegen die staatliche Aggression und Ausplünderung. Anfang der 1980er Jahre wurden Kämpfer der 20. Kampffront beauftragt, in der Region Catatumbo eine neue Front aufzubauen. So wurde ein neues Operationsgebiet zwischen der Hauptstadt Cúcuta und der venezolanischen Grenze geschaffen. Und in diesem Umfeld, in dieser Region des unerschöpflichen Widerstandes von Indigenen, Bauern, Arbeitern, Studierenden und den basisdemokratischen Kräften wird weiterhin für Lösungen zum Frieden, für soziale Gerechtigkeit und für die behutsame Entwicklung der Region bei der Bewahrung von Interessen aller gekämpft.

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