GÜZ-Camp:Repression, Antirepression und Soli

Stellungnahme der „War starts here“-Camp-Vorbereitung

Vom 12.-17. September 2012 fand in der Altmark das „War starts here“- Camp gegen das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) der Bundeswehr statt.

Mehrere hundert Aktivist_innen, aus unterschiedlichen Spektren, kamen zusammen um über die verschiedenen Aspekte der Militarisierung der Gesellschaft und den Widerstand dagegen zu diskutieren. Außerdem gab es am 15.09. einen Aktionstag mit dem Ziel das GÜZ zu entern, lahmzulegen und umzugestalten. An diesem beteiligten sich ca. 400 Antimilitarist_innen. Vor der Kommandozentrale demonstrierten ca. 100 Leute und es gelang massenhaft auf das Militärgelände einzudringen und dort u.a. ein Panzermanöver zu stören und verschiedene Gebäude zu markieren.

Für einen Überblick über die Aktionen und eine erste Bewertung verweisen wir auf den bei Indymedia veröffentlichten Text von „einigen begeisterten Teilnehmer_innen“. ( https://linksunten.indymedia.org/en/node/67243 ) Wie nicht anders zu erwarten, beantworteten Polizei und Militär den Versuch der antimilitaristischen Intervention, an diesem Ort der direkten Kriegsvorbereitung, mit massiver Repression. Darum soll sich dieser Text drehen.

Von Demoverbotszonen, massenhaften Personalienfeststellungen und einem (bewaffneten) Überfall des MEK

Polizei und lokale Behörden haben von Anfang an versucht zu verhindern, dass ein antimilitaristisches Camp in der Nähe des Gefechtsübungszentrums stattfinden kann. Bis zuletzt verweigerten sich die verantwortlichen Behörden des Landkreises Gardelegen einen Campplatz zur Verfügung zu stellen. Die Polizei tat ebenfalls ihr Möglichstes um das Camp zu verhindern. So wurden z. B. potentielle Verpächter_innen von geeigneten Campflächen und Zeltverleiher_innen massiv bedrängt.

Um klar zu machen, dass das Camp so nicht zu verhindern sei und um direkt in Letzlingen präsent zu sein, wurde ab dem 10.09. eine Mahnwache auf dem dortigen Marktplatz eingerichtet. Diese konnte zwar eine Woche lang aufrecht erhalten werden, doch die Polizei versuchte all dies so unangenehm wie möglich zu machen. So musste zu jeder Zeit ein_e Ordner_in je 10 Teilnehmer_innen anwesend sein. Diese mussten ihre Personalien abgeben und durften zudem niemals zuvor polizeilich in Erscheinung getreten sein. Außerdem wurden immer wieder neue Schikanen, wie das Verbot von Teelichtern, durchgesetzt.

Dank solidarischer Menschen in der Region konnte schließlich 17 km vom GÜZ entfernt ein Campplatz gepachtet werden. Die Verpächterin ließ sich trotz Einschüchterungsversuchen, wie der Dauerstationierung von zivilen Polizeikräften vor ihrem Wohnhaus, nicht davon abbringen, das antimilitaristische Camp zu unterstützen.

Daraufhin richtete die Polizei auf den Zufahrtswegen zum Camp feste Kontrollstellen ein. Über einen Zeitraum von mehreren Tagen wurde niemand ohne Personalienfeststellung in oder aus dem Camp gelassen. Zeitweise wurden alle ankommende und abfahrende Fahrzeuge und Personen durchsucht. Insgesamt wurden 700 Personalienfeststellungen im Umfeld des Camps durchgeführt.

Zudem verbot die Polizei mit einer Allgemeinverfügung jegliche Versammlung im Umkreis des GÜZ für den gesamten Zeitraum des Camps. Zwar konnte eine Kundgebung vor der Kommandozentrale gerichtlich durchgesetzt werden; jede weitere Versammlung blieb jedoch untersagt und es wurden 137 Platzverweise erteilt. Diese dienten hauptsächlich der Durchsetzung der größten Demoverbotszone, die es jemals in der BRD gegeben hat. Zeitweise wurde man selbst zu der genehmigten Kundgebung nur nach Personalienfeststellung und Durchsuchung, die teils mit dem Zwang zur Entkleidung bis auf die Unterwäsche einher ging, durchgelassen. Eine Spontandemo gegen diese offensichtlich rechtswidrige Praxis wurde komplett gekesselt und mit Platzverweisen belegt. Außerdem wurden dabei mehrere Personen äußerst brutal mit Vorwürfen wie Landfriedensbruch und Widerstand festgenommen.

1000 Polizist_innen, 500 Feldjäger_innen, Pferdestaffel, Polizeihunde und diverse Hubschrauber haben nicht verhindern können, dass antimilitaristische und friedensbewegte Aktivist_innen verschiedene Aktionen auf und neben dem GÜZ machten. Allerdings wurden 24 Personen im Laufe des Aktionstages fest- oder in Gewahrsam genommen. Einige Aktivist_innen wurden auf dem Truppenübungsplatz mitgenommen. Ihnen wird größtenteils nur das ordnungswidrige Eindringen vorgeworfen. Eine dieser Gewahrsamnahmen wurde von Feldjägern mit gezogener Waffe durchgeführt. Anderen, die in der Demoverbotszone aber außerhalb des Platzes festgenommen wurden, wird vorgeworfen für Sachbeschädigungen auf dem Gelände verantwortlich zu sein. Laut Presse wurden insgesamt 64 Strafverfahren, hauptsächlich wegen Sachbeschädigungen auf dem Gelände, aber auch wegen Landfriedensbruch, Beleidigung und Widerstand, eingeleitet. Diese werden wohl zum größten Teil gegen Unbekannt geführt.

Bereits zwei Tage zuvor waren 5 Antimilitarist_innen in Magdeburg von einem mobilen Einsatzkommando (MEK) der Polizei überfallen worden. Dabei wurden sie mit vorgehaltener Schusswaffe aus einem Auto gezerrt und auf eine Polizeiwache verschleppt. Am nächsten Tag mussten sie zwar wieder entlassen werden, allerdings wurden sie mit einem Platzverweis für das gesamte nördliche Sachsen-Anhalt belegt. Laut eines Indymedia-Artikels wird ihnen vorgeworfen „für eine Sachbeschädigung am Gebäude der ICL-Ingenieur und Consulting[,] verantwortlich sein“. Dort wurde „rosa/pinke Farbe in Größenordnungen (ca. 50 m) angebracht“. Laut dem Artikel ist die ICL verantwortlich für die Bauplanung der Aufstandsbekämpfungsstadt „Schnögersburg“. ( https://linksunten.indymedia.org/en/node/67047 ) Einem sechsten Beschuldigten wird dabei „logistische Unterstützung“ vorgeworfen.

Außerdem wurde am Aktionstag die Wohnung eines Antimilitaristen in der Altmark durchsucht. Ihm wird „versuchte Sabotagehandlungen an Verteidigungsmitteln“ nach §109 im Vorfeld des Camps vorgeworfen.

Stand der juristischen Auseinandersetzungen

An den verschiedenen beschriebenen Punkten laufen juristische Auseinandersetzungen, die sich zum Teil noch sehr lange hinziehen werden. So wurden Klagen gegen die Allgemeinverfügung, gegen die Demoverbote und gegen die massenhaften Personalienfeststellungen eingereicht sowie für die Sicherstellung der gesammelten Daten – die Löschung wird baldmöglichst beantragt. Diese verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzungen haben zwar ganz gute Erfolgsaussichten, werden aber teilweise über die verschiedenen gerichtlichen Instanzen geführt werden müssen. Bis es rechtskräftige Urteile gibt, kann erfahrungsgemäß sehr viel Zeit verstreichen. Wie die Strafverfolgungsbehörden mit den eingeleiteten Strafverfahren umgehen werden, ist im Moment noch nicht abzusehen. Wir wollen an dieser Stelle nicht detaillierter auf die juristischen Auseinandersetzungen eingehen, werden aber zukünftig über neue Entwicklungen möglichst aktuell berichten.

Krieg beginnt hier … als Angriff auf die, die Widerstand leisten

Das Camp ist Teil der internationalen Kampagne „War starts here / Krieg beginnt hier“. Die Kampagne ruft dazu auf „aktiv einzugreifen in die kriegerische Normalität und die zahlreichen zivil-militärischen Verflechtungen“. Sie soll deutlich machen „Krieg beginnt hier und ist hier aufzuhalten“ und „ist offen für alle, die ihre Aktivitäten in diesen Kontext stellen wollen“.

In den Begründungen der Allgemeinverfügung, der Kontrollstellen sowie dem Durchsuchungsbefehl gegen den Aktivisten aus der Altmark, erklärt die Polizei, dass es in verschieden Städten Brandanschläge mit Bezug zur Kampagne „Krieg beginnt hier“ gegeben hat. Da sich das Camp ebenfalls in den Kontext der Kampagne stellt, sei mit schweren Straftaten zu rechnen. Diese Argumentation dient dazu, das Camp in seiner ganzen Breite zu kriminalisieren, umfassende Repressionsmaßnahmen zu rechtfertigen und ein Spaltungspotential in die für alle offene Kampagne zu tragen. Es wurde sogar behauptet, es bestünde die Gefahr, dass Soldat_innen durch Brandanschläge auf dem GÜZ getötet oder verletzt werden würden. Einerseits soll die Inszenierung eines derartigen Gewaltpotentials abschrecken, sich selbst und die eigenen Aktivitäten in den Kontext der Kampagne zu stellen, andererseits soll der massive Polizeieinsatz gerechtfertigt werden.

Hinzu kommt, dass es durchaus denkbar ist, dass die Repressionsorgane versuchen Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Aktivitäten und Initiativen, die sich auf die Kampagne „Krieg beginnt hier“ bezogen haben, zu konstruieren. Auf den Versuch einer solchen Konstruktion deutet auch die massive Datensammelwut hin.

Das Camp bot einen Rahmen um mehrere Tage über Militarisierung, Aufstandsbekämpfung und antimilitaristischen Widerstand zu diskutieren und eine Vernetzung unterschiedlicher Spektren und Zusammenhänge voranzutreiben. Wenn Leute beginnen sich zu vernetzen, ist dies aus staatlicher Sicht immer gefährlich. Dies gilt umso mehr, wenn in der Umgebung einer enorm wichtigen militärischen Anlage am Bild der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz für die Bundeswehr und ihres Mordhandwerks gekratzt wird. Denn das Camp hat dazu beigetragen, dass offen zu Tage trat, dass es auch in der anwohnenden Bevölkerung weit mehr Widerspruch gibt, als (medial) behauptet. Dieser Umstand wäre für die Repressionsorgane schon Anlass genug, Versuche der Kriminalisierung und Spaltung zu unternehmen. Denn ein breiter, sich in seiner Unterschiedlichkeit solidarisch aufeinander beziehender und lokal verankerter(,) antimilitaristischer Widerstand, könnte langfristig zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Kriegsfähigkeit führen.

Hinzu kommt, dass mit dem Aktionstag ein sehr erfolgreicher Versuch unternommen wurde „Kriegstreiberei und Militarisierung zu markieren,(zu) blockieren und (zu) sabotieren“. Das offene Aktionskonzept, das Raum ließ für unterschiedliche Aktionsideen, hat gut funktioniert und das Ziel „die Verfügungsgewalt der Bundeswehr […] praktisch in Frage“ zu stellen, wurde erreicht. So wurde z. B. ein Panzermanöver einer zwei Wochen später in Afghanistan eingesetzten Einheit empfindlich gestört. Dies verdeutlicht einerseits, dass mit dem GÜZ ein sensibler Punkt der Kriegsvorbereitung getroffen wurde und andererseits, dass es bei weiteren Versuchen der antimilitaristischen Intervention am GÜZ noch ein deutliches Potential zur Steigerung gibt.

Beide Aspekte zusammen gedacht, müssen den Repressionsorganen und Kriegsstrateg_innen ein Dorn im Auge sein. Deswegen sollten uns die staatlichen Angriffe auf die Versammlungsfreiheit und einzelne Aktivist_innen nicht überraschen. Sie werden weiterhin versuchen, den Preis, den wir für das erfolgreiche Camp und den Eingriff in die Kriegsvorbereitung am Aktionstag zahlen sollen, in die Höhe zu treiben. Denn je erfolgreicher wir in unseren Bemühungen um Vernetzung und dem Bestreben den Krieg, der hier beginnt, hier zu stoppen, sind, desto größer wird das staatliche Bedürfnis unsere Strukturen zu zerschlagen und Einzelne zu bestrafen.

Repression kollektiv begegnen

Schon während des Camps gab es ein Antirepressionsplenum. Die Teilnehmer_innen waren sich einig, dass den verschieden Arten der Repression während und nach dem Camp kollektiv begegnet werden muss. Wir rufen dazu auf dies praktisch werden zu lassen. Wir schlagen vor durch vielfältige Soli-Aktionen und -Erklärungen solidarischer Gruppen und Initiativen aus den unterschiedlichen Spektren klar zu machen, dass der politische Preis für weitere Angriffe auf das Camp und einzelne Teilnehmer_innen sehr hoch sein wird und wir uns weder einschüchtern noch spalten lassen. Neben dieser politischen Solidarität wollen wir uns natürlich auch darum kümmern den Betroffenen den Rücken zu stärken. Deshalb meldet euch bei uns, wenn ihr von Repression betroffen seid bzw. Post von Polizei oder Staatsanwaltschaft bekommt.

Sowohl die Klagen gegen Demoverbote und Kontrollstellen als auch die Verteidigung in Strafverfahren kosten leider wie immer viel Geld, deshalb bitten wir euch auch darum Geld zu sammeln, Soli-Partys zu machen und zu spenden. Zudem könnt Ihr Euch für finanzielle Unterstützung an die örtliche Rote Hilfe wenden.

Camp und Aktionstag waren super – verteidigen wir unseren Erfolg gemeinsam!

Für eine starke antimilitaristische Bewegung – solidarisch gegen Spaltungsversuche!

Keine Zusammenarbeit mit Repressionsbehörden – keine Aussagen bei Polizei und Staatsanwaltschaft!


 

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