Maya-Aufmarsch zum Zeitenwechsel besetzt sechs Städte in Chiapas. Regionalverwaltung entlässt zapatistische Gefangene
Chiapas, Mexiko. Am heutigen ersten Tag des neuen Zyklus der Mayas, dem 14. Baktun, ist dem Zapatistischen Heer zur Nationalen Befreiung (EZLN) ein Überraschungscoup gelungen. Nach einer ungewöhnlich kalten und regnerischen Nacht näherten sich im Morgengrauen tausende Indigene den Städten Ocosingo, Comitán, Las Margaritas, Altamirano, Palenque und San Cristóbal de Las Casas. Viele von diesen vorwiegend jungen Frauen und Männern waren die ganze Nacht unterwegs. Allein aus La Garrucha, einem der fünf Versammlungsorte der Bewegung, marschierten 6.000 Zapatistas über sechs Stunden nach Ocosingo. Nach Berichten der mexikanischen Presse sollen insgesamt mehr als 20.000 Zapatisten an den Märschen beteiligt sein.
Der Großaufmarsch der unbewaffneten aber vermummten Mitglieder der Maya-Ethnie überrascht die mexikanische Öffentlichkeit, da die EZLN durch ihr langes Schweigen aus der Medienlandschaft verschwunden war. Die Verlautbarungen der zivilen zapatistischen Strukturen, der sogenannten Räte der Guten Regierung, in denen sie den täglichen Kleinkrieg gegen die zapatistische Basis bekannt machen, werden von den Massenmedien ignoriert. Mit dem erneuten friedlichen Aufstand am symbolträchtigen Datum des 21. Dezember 2012 gelingt es den Zapatistas nun, international auf ihre ungebrochene Stärke aufmerksam zu machen.
Der 1992 gefallene Beschluss zum bewaffneten Aufstand der EZLN zum 1. Januar 1994 jährt sich zum 20. Mal. Damit schließt sich in der Maya-Zeitrechnung der Zyklus eines Katun. „Dies ist der Beginn des zweiten Katun der zapatistischen Rebellion im mexikanischen Südosten“, kommentiert der chiapanekische Ethnologe Gaspar Morquecho die Mobilisierungen. Er hofft, dass die indigene Bewegung die in den letzten Jahren verloren gegangene Präsenz wieder zurückgewinnt. Die Kommandantur der EZLN hat parallel zum heutigen Aufmarsch eine neue politische Grundsatzerklärung angekündigt, die in Chiapas mit Spannung erwartet wird.
Aus dem Umfeld der EZLN wurden in den letzten Tagen Befürchtungen laut, dass die neue Regierung in Mexiko-Stadt sowie die neue Verwaltung in Chiapas mit der repressiven Politik der Vergangenheit fortfahren könnten. Mit dem neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto tritt die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) wieder an die Macht, welche das Land bis zum Jahr 2002 über 70 Jahre regiert hatte. Enrique Peña Nieto ernannte Emilio Chuayffet zum Erziehungsminister. Chuayffet war in den neunziger Jahren Innenminister und mitverantwortlich für das Scheitern der Friedensverhandlungen in Chiapas. Nach dem Massaker von Acteal vor genau 15 Jahren, am 22. Dezember 1997, musste er zurücktreten. Mit der Ernennung von Chuayffet sendet Peña Nieto auch das Signal, dass die Menschenrechte ihm nichts bedeuten, kommentiert Luis Hernández Navarro in einer Kolumne in der linksliberalen Tageszeitung La Jornada.
Der chiapanekische Gouverneur Manuel Velasco Coello erklärte anlässlich seines Amtsantritts Anfang Dezember, die EZLN habe viel zur politischen Kultur beigetragen und bot an, eine „minimale Verständigung“ zwischen den zapatistischen „Räten der Guten Regierung“ und seiner Administration einzurichten. Als ein Zeichen des politischen Willens von Seiten der chiapanekischen Regierung kann die Freilassung von vier inhaftierten Zapatistas gedeutet werden. Gleichzeitig kritisiert jedoch die Friedensbewegung um Javier Sicilia die Ernennung von Jorge Luis Llaven Abarca zum chiapanekischen Sicherheitsminister. Gegen Llaven Abarca „existieren unzählige Klagen wegen Folter und anderen Menschenrechtsverletzungen“, erklärt die indigene Kommission der Friedensbewegung.