In der letzten Ausgabe hatten wir bereits ein kurzer Interview zur Demo am 23. März in Magdeburg anlässlich des laufenden „Totschlag“-Verfahrens gegen 2 Beschuldigte und der zahlreichen Angriffe auf linke Strukturen abgedruckt. Dieses mal wollen wir uns mit einem etwas längeren Interview dem geplanten Kongress widmen, zu dem ebenfalls das Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen aufruft.
„Für uns heißt Antirepressionsarbeit auch den Selbstschutz zu organisieren!“
Könntet ihr als erstes auf die Gründe für den Kongress eingehen?
Wie die letzte Zeit zeigt, verstärken sich die Angriffe auf linke Strukturen zunehmend. Mit Prozessen wie gegen Deniz in Nürnberg, gegen Sonja und Christian in Frankfurt, gegen zahlreiche türkische und kurdische Linke mit Hilfe des Antiterrorparagraphen, aber auch das Verfahren gegen über 20 Antifaschisten mit dem Vorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ in Dresden verstehen wir, ebenso wie die jüngst erfolgte Verurteilung von Tim in Dresden zu 22 Monaten Haft wegen einer angeblichen Megaphondurchsage als gezielte und bewusste Angriffe auf die Bewegung, die zwei Funktionen zu erfüllen haben:
1) Akut den Widerstand zu schwächen, durch den Versuch der Entsolidarisierung, aber auch durch das Wegsperren von AktivistInnen und
2) die Messlatte der Repression so hoch zu hängen, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen und gleichzeitig bereits jetzt die Legitimation für „hartes Vorgehen“ sich zu erringen – sozusagen als Vorbereitung auf die bevorstehenden Auseinandersetzungen auf der Straße.
Von dieser Analyse ausgehend und davon ausgehend, dass sich die Widersprüche und die Auseinandersetzungen auf der Straße verschärfen werden, springt die Notwendigkeit sich dagegen zu wehren einem förmlich ins Gesicht. Denn während sich die Herrschenden ungeachtet ihrer (internen) Differenzen im Kampf gegen uns zusammen tun, ist die Bewegung gespalten, schwach und dadurch eben auch anfällig für Angriffe seitens der Repressionsbehörden.
Wir denken, dass gerade in der Antirepressionsarbeit und in der Frage der Solidarität es notwendig ist sich gemeinsam gegen die Angriffe zu wehren und solidarisch zusammenzustehen – unabhängig von ideologischen Differenzen.
Mit dem Kongress wollen wir versuchen einen ersten Schritt zu machen, um verschiedene Soligruppen, Antirepressionsstrukturen und andere Interessierte an einen Tisch zu bekommen und den Angriffen auf uns eine geschlossene Einheit entgegenstellen – auch wenn wir uns in Detail– oder auch wichtigeren Fragen nicht ganz einig sind.
In aller Kürze gesagt: Wenn einer von uns angegriffen wird sind wir alle gemeint, deswegen muss es in unserem Interesse sein uns gemeinsam gegen diese Angriffe zu wehren und eine breite Solidarität aufzubauen.
Wir brechen das Ganze auf die Parole: „Linke Politik verteidigen“ runter, da darunter sich eigentlich sowohl die Angriffe, wie das zu spannende Solidaritätsnetz zu verstehen ist.
Ihr schreibt in der kurzen Ankündigung zum Kongress, dass es euch darum geht Solidarität über ideologische Differenzen hinweg zu organisieren. Was meint ihr denn damit?
Wie wir bereits ausgeführt haben sind wir zunehmend mit immer heftigeren Angriffen konfrontiert, während wir gleichzeitig uns in viele verschiedene Initiativen und Gruppen bewegen und organisieren und dadurch eben diesen Angriffen (um es überspitzt darzustellen) einerseits recht wehr– und andererseits recht schutzlos ausgesetzt sind.
Sicherlich hat es Gründe warum wir uns nicht alle in einer großen starken Organisation wieder finden, wir denken aber, dass diese Differenzen in der Frage der Solidarität nicht der entscheidende Faktor sein können und dürfen. Wir denken, dass – im Rahmen einer gewissen Plattform – eine Zusammenarbeit möglich und notwendig ist. Konkret heißt das, dass wir im Rahmen einer solchen Vernetzung nicht in allen Punkten mit allen Gruppen übereinstimmen müssen, um mit ihnen zusammenzuarbeiten und den Angriffen unsere Solidarität entgegenzusetzen.
Klar hat dies auch seine Grenzen: Uns kann es nicht darum gehen alle Widersprüche wegzuwischen.
Was habt ihr für eine Zielsetzung für den Kongress?
Wir denken, dass der Kongress nicht mehr und nicht weniger als einen ersten Schritt darstellt, um die Vernetzung „unserer Seite“ voranzutreiben. Dabei geht es uns auch in erster Linie die Vereinzelung der einzelnen Soligruppen aufzuheben und die einzelnen Repressionsfälle in einen Kontext zu stellen, um sie damit eben auch als einen Angriff auf alle begreifen zu können.
Uns geht es dabei nicht darum mit einem fertigen Plan an den Kongress und an die Vernetzung ranzugehen und diesen Plan dann überzustülpen, sondern vielmehr denken wir, dass sich der Kongress sein Ergebnis selbst formen wird.
Natürlich heißt das nicht, dass wir einfach mal schauen werden wie das ganze läuft, sondern das heißt, dass nur durch die Teilnahme und das Engagement von anderen der Kongress, wie auch die Vernetzung ein Erfolg werden kann. Genau dieser Punkt wird übrigens ein sehr wichtiger Aspekt sein: Vernetzung funktioniert nur dann, wenn diese von mehreren Seiten ausgeht und keine „Einbahnstraße“ ist.
Deshalb erhoffen wir uns natürlich eine rege Teilnahme und dass wir gemeinsam uns Mittel und Wege erarbeiten werden, um in Zukunft den laufenden Angriffen besser etwas entgegensetzen zu können.
Für uns heißt Antirepressionsarbeit auch den Selbtsschutz zu organisieren und da ordnen wir den Kongress und die Vernetzung eben mit ein. Selbstschutz in dem Sinne, dass es uns, genauso wie wir unsere Klasse zu schützen haben, darum gehen muss uns und unsere Strukturen zu schützen.
Wir haben natürlich große Hoffnungen bezüglich des Kongresses, gleichzeitig wissen wir aber auch genau, dass es nicht damit getan sein wird. Eine solche Vernetzung kann nur ein langfristiger Prozess sein und nur durch Kontinuität und einer kollektiven Auseinandersetzung können wir dabei Schritte für Schritt voranschreiten.
Was denkt ihr, was der Kongress bzw. die Vernetzung bewirken kann?
Wie wir bereits erwähnt haben ist unser Hauptanliegen eine Vernetzung der Soli– und Antirepressionsgruppen zu erreichen und gleichzeitig die Einzelfälle in einen gesamtpolitischen Kontext zu setzen. Das heißt für uns erst mal nicht, dass wir vom Kongress aus eigenständige Kampagnen oder ähnliches planen werden, sondern viel mehr um für alle Fälle eine breitere Unterstützung – auch aus anderen Städten – möglich zu machen. Wir wollen also viel mehr die bestehende Arbeit ergänzen und unterstützen, als neue „aufgesetzte“ Kampagnen starten.
Das heißt natürlich aber nicht, dass es perspektivisch trotzdem einen eigenständigen Ausdruck geben könnte.
Darüber hinaus geht es uns aber auch darum Kontakte mit anderen Strukturen zu knüpfen, um damit eben besser sowohl bundesweit als auch international arbeiten zu können und dadurch eine größere Schlagkraft in der Frage der Solidarität zu entwickeln. Dies würde auch dazu beitragen das Solidaritätsgefühl in der Linken zu stärken.
Vergessen wollen wir natürlich auch nicht dabei, dass eine bessere Vernetzung auch eine bessere Plattform für die Gefangenen herstellen würde, die Unterstützung von außen also besser organisiert werden könnte.
Wie bereits erwähnt können wir uns das eigentlich nur als einen langfristigen Prozess vorstellen, bei dem auch die Erfolge / Misserfolge reflektiert und ausgewertet werden müssen.
Könnt ihr noch was zum Ablauf des Kongresses sagen?
Zum ganz konkreten Ablauf des Kongresses werden wir uns mit den interessierten Gruppen bereits im Vorfeld im Rahmen der Möglichkeiten austauschen. Aber soviel kann gesagt werden: wir stellen uns den Kongress nicht als eine „Frontalveranstaltung“ vor, sondern hoffen natürlich auch auf spannende Diskussionen. Natürlich werden wir den gebotenen Rahmen bieten, der notwendig ist, um unsere Vorstellungen zu konkretisieren.
Wir werden auch dafür sorgen, dass die Gruppen, die daran Interesse haben bereits im Vorfeld sich darauf vorbereiten können.
Ihr habt ja für den Termin weder Zeit noch Ort veröffentlicht. Warum mobilisiert ihr nicht öffentlich auf den Kongress?
Die Geschichte hat ja bereits des öfteren gezeigt und zeigt eigentlich Tag für Tag, dass der Staat mit seinen Repressionsbehörden kein Interesse an einer geeinten, starken Linken hat und alles dafür tut diese klein zu halten und revolutionäre Ansätze bereits im Keim zu ersticken.
Gleichzeitig muss es uns aber darum gehen ansprechbar zu sein und möglichst viele zu erreichen.
Genau vor diesem Hintergrund haben wir uns dazu entschieden den Kongress zwar öffentlich zu bewerben, allerdings ohne Ort und Zeit. Für Interessierte Gruppen gibt es dann mit unserer Mailadresse eine Kontaktmöglichkeit.
Wir denken und hoffen, dass wir somit diese Gratwanderung zumindest teilweise schaffen.
Beteiligt euch, denn nur gemeinsam sind wir stark! Einen Finger können sie brechen, 5 Finger sind eine Faust!