Werden Asylbewerber ausreichend medizinisch versorgt?
Ende April hat der Tod eines Flüchtlings in Bitterfeld für Aufregung
gesorgt: Er war nach einer Operation im Krankenhaus gestorben. Das rief
Proteste hervor – der Vorwurf: Sein Tod hätte verhindert werden können,
wenn es eine bessere medizinische Versorgung für Flüchtlinge gäbe. Was ist
aus den Anschuldigungen geworden?
von Vera Wolfskämpf
Bewohner vor einem Asylbewerberheim
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Bitterfeld – April 2013
Flache Baracken mitten im Wald bei Friedersdorf, einem Ortsteil von
Bitterfeld: Hier leben derzeit rund 180 Flüchtlinge, vor allem aus Afrika.
Erst Anfang des Jahres war Saizon Cosmo hergekommen. Ein Bewohner des Heims
erzählt, er habe immer etwas kränklich gewirkt. An einem Freitag im April
ging er mit Halsschmerzen zur Heimleitung. Die rief den Bereitschaftsarzt,
der dem 33-Jährigen Tabletten verschrieb. Der damalige Heimleiter Michael
Rosenberg: „Am Dienstag darauf kam ein Mitbewohner vom Heim zu mir und
sagte, ihm geht’s nicht gut. Dann habe ich ihn mir angeguckt und gesehen,
dass er wirklich Schmerzen hatte. Ich habe daraufhin den Notarzt angerufen.
Der kam sehr schnell, sie haben ihn untersucht, mitgenommen – und mehr kann
ich dazu nicht sagen.“ Am selben Abend wurde Saizon Cosmo im Krankenhaus in
Bitterfeld operiert. Zur Diagnose geben Ärzte und Staatsanwaltschaft keine
Auskunft. Zwei Tage später starb der 33-jährige Flüchtling aus Benin im
Krankenhaus.
Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau veranlasste eine Obduktion, die ergab:
Der Mann starb eines natürlichen Todes – akutes Herzversagen infolge einer
Herzmuskelentzündung. Diese habe nichts mit dem chirurgischen Eingriff
vorher zu tun gehabt, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Für weitere
Ermittlungen habe es keinen Anlass gegeben.
Kritik an der Betreuung von Asylbewerbern
Der Todesfall löste Proteste bei den Flüchtlingen aus: Saizon Cosmo sei zu
spät behandelt worden, generell die medizinische Versorgung schlecht.
Sören Herbst, Bd. 90/Die Grünen
Sören Herbst (Grüne)
Sören Herbst, flüchtlingspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag,
begleitete die Proteste im Asylbewerberheim Friedersdorf. Er sagt, das
Leben in solchen Gemeinschaftsunterkünften mache Menschen krank: Die
meisten wissen nicht, wie es mit ihnen weitergeht. Viele haben keine
sinnvolle Aufgabe, weil sie nicht arbeiten dürfen.
Untätigkeit und Frust führen häufig zu psychischen und physischen
Problemen: „Es müsste eine ganz gezielte medizinische Versorgung geben –
und nicht, dass man die Leute mit der Aussage: ‚Wenn es dir ganz schlecht
geht, kannst du ja den Notruf wählen‘, alleine lässt. Aber das machen
viele. Es passiert wirklich nur das Allernötigste.“
Bekommen Flüchtlinge die gleiche Behandlung?
Zuständig für Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge ist der
Landkreis. Bernhard Böddecker, amtierender Landrat von Anhalt-Bitterfeld,
sieht keine Mängel bei der medizinischen Versorgung: „Es gibt da keine
Abstriche, auch keine Sonderbehandlung. Jeder hat da das volle
Leistungsspektrum des deutschen Gesundheitswesens zur Verfügung. Die Kosten
werden definitiv vom Landkreis übernommen – und zwar in voller Höhe.“
Denn die Asylbewerber sind über das Sozialamt krankenversichert. Dort
müssen sie sich einen Behandlungsschein abholen, mit dem sie zum Hausarzt
gehen können.
Allerdings würden viele Flüchtlinge von Arzt zu Arzt geschickt, kritisiert
Sören Herbst von den Grünen. Landrat Böddecker begründet das mit dem
Ärztemangel.
Hilfe für die Flüchtlinge im Asylbewerberheim Friedersdorf soll die neue
Sozialarbeiterin versprechen. Sie ist seit Anfang August Ansprechpartnerin
für die Flüchtlinge und soll bei persönlichen Problemen, Behördengängen
oder Arztbesuchen helfen.
Wolfskämpf, Vera: Korrespondentin, Redakteurin und Autorin im Bereich
Zeitgeschehen
Nach den Protesten der Asylbewerber
„Kleine Verbesserungen, aber lange nicht ausreichend“
Nach dem Todesfall gab es Demonstrationen in Friedersheim: Die Flüchtlinge
wollten sich gegen den schlechten Zustand ihrer Unterkunft wehren. Hat sich
die Situation verbessert? [Audio]