Seit 1957 wird der 1. September in der Bundesrepublik Deutschland als Antikriegstag begangen. Aus diesem Anlass haben unsere GenossInnen in Stuttgart ein Flugblatt veröffentlicht, das wir im Folgenden dokumentieren.
Flyer als PDF
Nie wieder Krieg!
Seit 1957 wird der 1. September in der Bundesrepublik Deutschland als Antikriegstag begangen. Anlass war die Wiederbewaffnung der BRD, die Einführung der Wehrpflicht und der Einzug der Soldaten in die Kasernen, die bereits im Faschismus benutzt worden sind. Der Antikriegstag erinnert an den Überfall des faschistischen Deutschlands auf Polen am 01.09.1939 und den Beginn des Zweiten Weltkrieges. Dieser Krieg führte zur Ermordung von über 62 Millionen Menschen weltweit, dem Aufbau von Konzentrations-, Arbeits- und Vernichtungslagern und der Entvölkerung ganzer Landstriche.
Notwendig hierfür waren eine immense Aufrüstung aller kapitalistischen Staaten und eine Militarisierung der Gesellschaft, legitimiert durch rassistische und nationalistische Kriegspropaganda.
Darüber hinaus thematisiert und verurteilt dieser Tag bis heute jegliche Form von Angriffs- und Eroberungskriegen zur Durchsetzung der Interessen Weniger gegen die breite Masse der Bevölkerung, egal welchen Landes.
In Zeiten, in denen kapitalistische Staaten verstärkt militärisch als auch sicherheitspolitisch hochrüsten und Angriffskriege zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Interessen wieder legitimiert werden, halten wir es für notwendig diesen Tag erneut in Erinnerung zu rufen. Sowohl die zunehmende Anzahl von Kriegen und erneute militärische und sicherheitspolitische Aufrüstung der kapitalistischen Staaten als auch rassistische und nationalistische Hetze sind für uns Anlass genug den Antikriegstag aufzugreifen, Informationen zu vermitteln und versuchen Kriegspropaganda, die sich immer gegen unsere Klasse richtet, die Grundlage zu entziehen!
Stuttgart kriegt mit!
Gerade Stuttgart spielt in den weltweit geführten Kriegen eine zentrale Rolle:
In Stuttgart befinden sich die Militärbasen „EU- COM“, die US-amerikanische Kommandozentrale für Europa und den asiatischen Teil Russlands, sowie „AFRICOM“ für Afrika. EUCOM hat seit 1967 seinen Sitz in Stuttgart-Vaihingen und 72.000 SoldatInnen stehen unter dessen Kommando. AFRICOM wurde von 2007 bis 2008 auf Anweisung des damaligen US-Präsidenten George W. Bush in Stuttgart-Möhringen aufgebaut und ist seit Ende 2008 für alle militärischen Operationen in Afrika zuständig, mit Ausnahme von Ägypten. Weil die Afrikanische Union den Zielen von AFRICOM misstraute fanden die USA kein Gastgeberland für AFRICOM innerhalb Afrikas.
Diese beiden Zentralen sind unter anderem für den weltweiten und unbegrenzten Kriegseinsatz unter dem Deckmantel der „Terrorismusbekämpfung“ zuständig. Koordiniert und unterstützt wurden aus Stuttgart der Angriffskrieg gegen Jugoslawien in den 90er-Jahren, der immer noch andauernde Krieg gegen Afghanistan und der Krieg gegen den Irak. Aktuell werden Operationen im Osten der Ukraine, sowie Luftangriffe in Syrien und im Nordirak von Stuttgart aus koordiniert. Die Militärbasen zusammen mit dem Stuttgarter Flughafen sind dabei für die USA sowie für alle anderen Mitgliederstaaten der NATO ein wichtiger strategischer Punkt, da von dort aus die SoldatInnen, Waffen, sowie jeglicher anderer Nachschub per Luft am schnellsten in die oben genannten Kriegsregionen verlegt werden kann.
Auch in einem anderen Bereich der Kriegsführung ist Stuttgart führend vertreten: als Standort großer Rüstungsunternehmen. Allgemein beliefen sich die Militär-Ausgaben der BRD im Jahr 2013 auf 48,8 Milliarden(2010: 34,1 Milliarden). Im weltweiten Waffenexport belegt die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor den dritten Platz. Waffen im Wert von 8,34 Milliarden Euro wurden im Jahr 2013 verkauft. Die Hauptabnehmer der Waffen waren vor allem Länder wie Saudi-Arabien, die Türkei, die Vereinigte Arabische Emirate, in denen die religiös-fundamentalistisch Gruppe „Islamischer Staat“ (IS) ausgebildet und aufgerüstet wurde, aber auch Katar, Algerien und Indonesien. Auch die Massaker an syrischen Zivilisten oder an den Kurden im Nordirak geschehen unter anderem mit deutschen Waffen.
In Stuttgart selbst ist der Daimler-Konzern angesiedelt, in Backnang ist ein Firmensitz der Airbus Group (Nachfolger der EADS) und in Oberndorf am Neckar sitzt Heckler & Koch. Darüber hinaus sind in Stuttgart und der Region zahlreiche Firmen angesiedelt, die als Zulieferer direkt und indirekt am Krieg beteiligt sind.
Daimler ist über Unterfirmen und Sub-Unternehmen einer der größten weltweiten Akteure im Bereich der Waffenproduktion und des Waffenhandels. Der Konzern wurde in der Zeit des deutschen Faschismus 1933-1945 aufgrund der massiven Rüstungsproduktion zu einem der größten produzierenden Unternehmen weltweit aufgebaut und liefert bis heute Rüstungsgüter an kriegsführende Staaten und in Bürgerkriegsregionen. Daimler ist beteiligt an der Produktion von Kriegsschiffen, U-Booten, Mörsern, Panzerfäusten, Raketensystemen, Landminen, Panzerhaubitzen und Kampfhubschraubern und trägt damit eine deutliche Verantwortung für Kriege und profitiert von millionenfachem Leid weltweit.
Die Airbus Group wurde im Jahr 2000 durch eine Fusion der deutschen Daimler Aerospace AG, der französischen Aérospatiale-Matra und der spanischen Construcciones Aeronáuticas gegründet. Der Konzern erwirtschaftete 2013 einen Umsatz von 59,3 Milliarden. Allein der Anteil von Waffenverkäufen beträgt mehr als ein Viertel der Gesamtfirmenproduktion. Die Airbus Group produziert unter anderem militärische Luftfahrzeuge, Lenkflugkörper, Militärelektronik sowie militärische Satelliten- und Raumfahrt-Technik.
Heckler & Koch ist der größte deutsche und weltweit einer der fünf größten Hersteller von Handfeuerwaffen. Das bekannteste Produkt des Konzerns ist die Maschinenpistole MP5, die in 61 Staaten offiziell im Einsatz ist. Laut dem Rüstungs-Informationsbüro Oberndorf gab es bereits im Jahr 1989 kein einziges Land in der sogenannten „Dritten Welt“ ohne Waffen von Heckler & Koch. Allein mit dem Gewehr „G3“ wurden seit 1961 mehr als 1,5 Millionen Menschen ermordet. 2006 tauchten Waffen von Heckler & Koch in Georgien auf und obwohl es keine Genehmigung zur Lieferung in die spannungsgeladene Kaukasus-Region gab, kam es zu keinen strafrechtlichen Konsequenzen für den Konzern. Außerdem gab es mehrere Ermittlungsverfahren gegen Heckler & Koch wegen parteiübergreifender Bestechungen, die die Genehmigungen von Waffenexporten erleichtert haben. Der Konzern stand mehrfach in der Kritik, durch den Verkauf von Testwaffen (Mengen bis 500 Stück) fast alle Waffenexportbeschränkungen umgangen zu haben.
Allgemein lässt sich sagen, dass von der Schwermetall- bis zur Feinelektronikbranche die Ergebnisse der Forschung und der Produktion in den Ausbau und die Aufrüstung des Überwachungs- und Militärapparates einfließen. So gibt es praktisch kein einziges größeres Unternehmen in der BRD, das nicht direkt oder indirekt von Kriegen profitiert.
Krieg im Kapitalismus
Allerdings beschränken sich die Interessensgruppen am Krieg nicht auf Rüstungsfirmen und Waffenexporteure, sondern dazu zählen auch Unternehmen, die am Wiederaufbau von zerstörten Produktionsmitteln, Agrarflächen und Infrastruktur langfristig profitieren. Dabei wird der Tod von Millionen Menschen durch Granaten, Bomben und Raketen, die täglich auf Städte regnen, billigend in Kauf genommen.
Die Bundesrepublik Deutschland führt seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt wieder Kriege in aller Welt, baut die Bundeswehr zu einer global einsatzfähigen Interventionsarmee um und will auch zukünftig ihre Rolle als europäische Wirtschaftsmacht weiter ausbauen und sich als Militärmacht etablieren.
Auch die Abschaffung der Wehrpflicht steht damit nicht im Widerspruch und ist vor allem als propagandistisches innenpolitisches Mittel zu verstehen. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wird die Zahl der im Militärapparat beschäftigten Personen zwar verringert, im Gegenzug wird jedoch die Zahl der im Ausland einsatzfähigen SoldatInnen erhöht. Die Bundeswehr wird durch die Aussetzung der Wehrpflicht also effektiver und kleiner, aber nicht harmloser.
Die sogenannte „Entbürokratisierung“ bedeutet, dass mehr Befugnisse auf weniger Personen und Hierarchiestufen innerhalb der Bundeswehr verteilt und logistische und technische Aufgaben privatisiert werden sollen.
Gleichzeitig nimmt die Präsenz der Bundeswehr im Inneren in Form von SoldatInnen in Schulen und Universitäten, Betrieben und Arbeitsämtern, auf öffentlichen Plätzen, in Ausbildungsmessen und in Kindergärten immens zu. Mittlerweile haben 8 von 16 Bundesländern (u.a. Baden-Württemberg) „Kooperationsvereinbarungen“ mit der Bundeswehr. Dies beinhaltet Unterrichtsstunden von speziell ausgebildeten Jugendoffizieren in Schulen und Forschung, Fortbildungen für LehrerInnen und ReferendarInnen und Klassenausflüge in Bundeswehr-Einrichtungen.
Die steigenden Lebenshaltungskosten in Verbindung mit dem sinkenden Reallohnniveau macht die Bundeswehr durch ihre Angebote der Finanzierung von Wohnung, Ausbildung und Studium für viele zu einem vermeintlich attraktiven Arbeitgeber.
Die Frage nach Krieg und Frieden…
…, ob in Europa oder dem Rest der Welt, ist mehr als eine parteipolitische oder moralische Angelegenheit. Die Interessen, die jede kapitalistische Nation nach innen und außen verteidigen muss, sind eine sichere Rohstoffzufuhr, Absatzmärkte und geopolitische Machtinteressen. Vor allem für Wirtschaftsmächte, die welche bleiben oder werden wollen. Die Utopie einer unter der UNO oder NATO verwalteten friedlichen kapitalistischen Weltwirtschaft wird täglich widerlegt. Diese Kriege dienen weder „unserer“ Wohlstandssicherung noch dem „sozialen Frieden und Fortschritt“ in den zerbombten Ländern, sondern der Durchsetzung der eigenen Interessen. Während hierzulande zur Rettung der Banken soziale Einschnitte legitimiert werden, erwirtschaften Großunternehmen, Banken und Versicherungen Riesenprofite an Rüstungsproduktion, Privatisierungen ganzer Staaten und an der intensivierten Ausbeutung eroberter Gebiete.
Um diese Ziele und die dahingehende Entwicklung mit Worten aus ihren „eigenen Reihen“ zu beschreiben, zitieren wir an dieser Stelle den ausgeschiedenen Bundespräsidenten Horst Köhler, der gerade wegen diesem Zitat zum Rücktritt genötigt wurde:
„(…) dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freier Handelswege. (…) Es wird sozusagen wieder Todesfälle geben. Nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch durch Unfall mal bei zivilen Aufbauhelfern. Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine Interessen am Ende wahren.“
[Horst Köhler, 22.5.2010]
Wenn Horst Köhler hier von „unseren Interessen“ spricht, bedeutet dies die Profitinteressen von Wenigen zu sichern, während der Großteil unserer Klasse für die Aufrechterhaltung ihrer eigenen Unterdrückung und Ausbeutung ausblutet. Sowohl hier, wenn auch in anderer Qualität, als auch in brutalster Form in den angegriffenen Ländern.
Vor diesem Hintergrund muss es für uns heißen, die Demütigung, Unterdrückung, Ausbeutung, Folter, Vergewaltigung und Ermordung unserer Klassenbrüder und –Schwestern in allen Ländern der Welt zu verurteilen. Schließlich ist jeder Krieg ein Krieg gegen unsere Klasse und würde es nach Großkonzernen, Rüstungsunternehmen und Kriegsprofiteuren gehen, wäre jeder Krieg endlos. Daher liegt es an uns! Wir müssen Verantwortung übernehmen, Stellung beziehen und letztlich dafür sorgen, dass dies nicht länger geschieht und die Grundlage für all dies – das kapitalistische System und seine für unsere Klasse vernichtende Politik – egal ob in den angegriffenen Ländern oder hier in der BRD überwinden.
Lasst uns also Zusammen Kämpfen für eine Gesellschaft ohne Krieg, Ausbeutung und Unterdrückung!
Der Hauptfeind steht im eigenen Land!
Krieg dem Krieg!
Zusammen Kämpfen [Stuttgart]
www.zk-stuttgart.tk