Wohnungskontrollen und Zwangsräumungen ohne richterlichen Beschluss

Im Landtag von Sachsen Anhalt wurde am 24.10.2018 das „ Gesetzes zur Beseitigung von Wohnungsmissständen „ (Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt – WoAufG LSA) (1) mit den Stimmen der Regierungskoalition CDU, SPD und Bündnis 90/ Die Grünen beschlossen.
Mit diesem Gesetz wird es zukünftig möglich sein, dass Vertreter/innen der Kommunen datenschutzrechtliche Auskünfte und Unterlagen einholen und Wohnungen ohne richterlichen Beschluss kontrollieren können. Dies wäre bei einen „erheblichen Wohnungsmissstand“ als auch bei einer „Überbelegung der Wohnung“ der Fall.
In Folge der Kontrollen könnten durch die Vertreter/innen der Kommunen unter anderem Zwangsräumungen angeordnet werden.
Im jetzt beschlossenen Gesetz ist im § 8 (1) immerhin noch vorgesehen, dass diese Kontrollen mit vorheriger Ankündigung erfolgen müssen. Im § 8 (2) wird dieser Umstand aber wieder aufgehoben ( analog zur „Gefahr im Verzug“ ). Lapidar endet das Gesetz damit, dass im § 8 (4 ) festgestellt wird, dass mit diesem Gesetz die Grundrechte auf die Unverletzlichkeit der Wohnung und dem Schutz personenbezogener Daten eingeschränkt werden.
Die Linkspartei, die gegen die Annahme des Gesetzes stimmte, stellte fest, dass mit dem Gesetz nichts gegen Wohnungsmissstände unternommen werden wird und dass das Gesetz verfassungsrechtlich mehr als bedenklich sei.
Die AFD, die ebenfalls gegen den Gesetzentwurf stimmte, begründete dies sinngemäß damit, dass von diesem Gesetz „ Deutsche ebenso betroffen seien, wie diejenigen, die das Problem verursacht hätten, die Osteuropäer“ .

Dazu erklärt Matthias Kramer Rote Hilfe Magdeburg:
Im Landtag von Sachsen Anhalt konnten wir am 24.10.2018 eine Lehrbeispiel bürgerlicher Demagogie erleben. In salbungsvollen Worten bekannten sich die bürgerlichen Politiker/innen der CDU und SPD zu ihrer Verantwortung „ sich dazu ( zu) bekennen, aus diesem Teil der deutschen Geschichte ( gemeint ist der 9. November 1938 ) verantwortliche Lehren für Gegenwart und Zukunft zu ziehen und gruppenbezogener Ausgrenzung, Stigmatisierung oder Diskriminierung entgegenzutreten. (1)
Stellvertretend sei hier die Vertreterin der SPD Fraktion zitiert: „ … Strukturen des Antisemitismus‘ kehren auch wieder als Muster in anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, ob sie sich nun gegen Muslime, gegen Sinti und Roma oder andere richten.“ (2)
Einige Tagesordnungspunkte später wurde das Wohnungsaufsichtsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt – WoAufG LSA, beschlossen. Mit diesem Gesetz wolle man gegen Wohnungsmissstände vorgehen. In Wirklichkeit geht es aber darum, bestimmte Menschen aus, von den bürgerlichen Politikern selbst definierten, „Problemvierteln“ zu vertreiben. Begleitet wurde die Diskussion zu diesem Gesetz von einer Hetzkampagne gegen die Anwesenheit von Bürger/innen aus Rumänien in Sachsen Anhalt. Tonangebend dabei war und ist der Oberbürgermeister von Magdeburg Trümper (SPD). Mit der immer gleichen Methode, „Vermutungen“ und „Behauptungen“ zu äußern bzw. zu verbreiten, unter anderen das diese Menschen in „unsere Sozialsysteme einwandern würden“ und das „ erhebliche Belästigungen für die einheimischen Bürger/innen entstehen würden“, wurde und wird die rassistische Stimmung angeheizt und ein bestimmtes Klientel mobilisiert. Richtig ist jedoch, das Kontrollen, die nach bürgerlichen Maßstäben durchgeführt wurden, keine der zahlreichen aufgestellten Behauptungen bestätigte. Im Gegenteil, „ laut Ordnungsamt waren im ersten Halbjahr 2018 neun Lärmanzeigen aus dem Westen der Neuen Neustadt bei der Stadtverwaltung eingegangen. In vier Fällen richteten sich diese gegen Deutsche, in drei gegen Ausländer und in zwei Fällen konnte der Verursacher nicht ermittelt werden“. ( 4 )
Dieses Gesetz richtet sich in erster Linie gegen bestimmte Menschen. Aber ebenso selbstverständlich kann es auch gegen alternative Wohnprojekte, gegen bestimmte Wohnungen, die so eine Art kulturelle Treffpunkt sind, und Infoläden, die obdachlosen Menschen Unterkunft gewähren, angewendet werden.
Durch die Verbreitung von rassistischer Hetze und den Abbau grundgesetzlich geschützter Rechte wird kein einziger Wohnungsmissstand behoben werden. Hier kann es nur einen Weg geben. Die Rechte aller Mieter/innen, unabhängig von deren Status und der Nationalität, müssen gegenüber den Hauseigentümer gestärkt werden.

1. https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/files/drs/wp7/drs/d2623lge.pdf
https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/plenarsitzungen/27-sitzungsperiode/#/?accordion=0&accordionPlenar=7&accordionVideo=0
2. https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/plenarsitzungen/27-sitzungsperiode/#/?accordion=0&accordionPlenar=4&accordionVideo=6
3. https://www.spd-lsa.de/pressemitteilungen-leser-2018/181024_paehle/
4. Meldung Volksstimme

bürgerliche Medien
https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-09/roma-magdeburg-neue-neustadt-migration

zum Hintergrund Neue Neustadt Magdeburg
Unterdruck Nummer 6 (März 2018), S. 49-53.

 

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