Talib Kweli über die linke Kulturszene in BRD & den BDS

 

„Das sind Feiglinge“ Talib Kweli über die linke Kulturszene in Deutschland & den BDS

 

Nach Konzertabsagen: US-Rapper Talib Kweli rechnet ab – mit Deutschlands Kulturszene und ihrer Ignoranz gegenüber dem weltweit grassierenden Rassismus.

Interview: Dror Dayan / http://www.melodieundrhythmus.com/

Talib KweliDer US-amerikanische Rapper Talib Kweli ist einer der renormiertesten Vertreter des sozialkritischen Conscious Rap. In zwanzigjährigen Karriere arbeitete er mit sehr erfolgreichen Künstlern wie Mos Def, Pharell Williams und Kayne West und hat auch beispielsweise mit Produktionen wie Hip Hop for Respect gegen die rassistische Polizeigewalt wichtige künstlerische Beiträge zu gesellschaftskritischen Debatten in den USA geliefert.
In Deutschland musste Kweli unlängst einen Preis für sein politisches Engagement zahlen. Die Veranstalter des Düsseldorfer Open Source Festivals sagten seine Auftritt ab, weil er sich an der internationalen zivilgesellschaftlichen Kampagne Boycott Divestment and Sanctions (BDS) gegen die israelische Besatzung in Palästina beteiligt, die von der deutschen Bundesregierung als „antisemitisch“ eingestuft wird. Weitere Veranstalter von Clubkonzerten, etwa in Halle, München und Berlin, sind diesem Beispiel gefolgt, und deutsche Medien haben eine Hetzkampagne gegen ihn gestartet. M&R (Melodie & Rhythmus) sprach mit Kweli über diesen Skandal, den Vormarsch von White Supremacy und die Rolle der Künstler im Kampf gegen den globalen Rechtsruck.


M&R: Herr Kweli, ihr Name ist hierzulande sehr häufig in den Medien aufgetaucht. Gab es deutsche Journalisten, die nicht nur über Sie, sondern auch mit Ihnen geredet haben.


Kweli:
Nein, keinen einzigen.

M&R: Das Open Source Festival in Düsseldorf war nicht der erste Veranstalter, der einen ihrer Auftritte abgesagt hat, weil sie BDS unterstützen. Bereits 2016 hatte das Kulturzentrum Conne Island in Leipzig Ihrer Show mit der gleichen Begründung gecancelt. Wie werten Sie dieses Vorgehen?

Kweli: Ich finde, die Leute vom Open-Source-Festival vom Conne-Island.oder auch Yaam in Berlin sind Feiglinge. Das sind keine ehrlichen Conne Island Leipzig Menschen. Sie behaupten für Gleichberechtigung zu stehen, in Wahrheit fördern sie aber den Faschismus. Sie meinen, die Unterstützung eines Israelboykotts sei mit der Verbreitung von Hass gegen jüdische Menschen gleichzusetzen. Das ist eine falsche Aussage. Ich würde sie gerne auffordern, ihre These zu beweisen – das können sie nämlich nicht.


M&R: Was für Auswirkungen hat dieses Vorgehen perspektivisch auf die Kunstfreiheit in Deutschland?

Kweli: Sicher nutzen die Veranstalter ihre Machtposition, um meine Freiheit einzuschränken, mich künstlerisch auszudrücken oder meine Meinung zu sagen. Aber ich betrachte das nicht als generelles Problem der Redefreiheit. Ich sage viele Sachen, die nicht populär sind, und das hat Folgen. Eine davon kann auch schon mal eine Ausladung sein. Das ist das gute Recht der Veranstalter. Ihre Bühne steht mir nicht unbedingt zu, ihre Absagen verletzen nicht meine Menschenrechte. Sie treffen einfach eine politische Entscheidung, die letztlich sie schlecht und mich gut aussehen lässt. Sie stehen ganz klar auf der falschen Seite der Geschichte. Ich bin ein ziemlich erfolgreicher Künstler und brauche diese Auftritte nicht, sondern möchte sie einfach nur gern machen. Ich liebe mein deutsches Publikum, das mir immer mit sehr viel Zuneigung begegnet.
Diese Veranstalter blamieren nur sich selbst.

M&R: Über 100 größtenteils international bekannte Künstler und Intellektuelle haben in einem offenen Brief, der in der britischen Tageszeitung The Guardian erschienen ist, ihre Ausladung verurteilt. Unter den Unterzeichnern waren sehr wenige deutsche Namen zu finden.

Kweli: Gewöhnlich erwarte ich nicht von Menschen, dass sie sich blind solidarisieren und unbedingt meine Werte teilen, nur weil es um meine Person geht. Was aber hoffe, ist, dass Menschen, die für ihre freie Rede und soziale Gerechtigkeit und gegen strukturelle rassistische Unterdrückung eintreten, in solchen Auseinandersetzungen alle Fakten prüfen, die auf dem Tisch liegen, und mich auf dieser Fakten unterstützen.

M&R: Vielleicht liegt der Mangel an deutsche Beteiligung an dieser Aktion auch daran, dass viele Menschen hier denken, sie würden durch ihren Kampf gegen die Palästinasolidarität gegen den Antisemitismus vorgehen.


Kweli:
Ich kann die deutsche Angst vor dem Antisemitismus natürlich sehr gut verstehen. Der Nazismus hat seine Wurzeln in Deutschland; jetzt ist er auch in den USA mit der White Supremacy Bewegung auf dem Vormarsch: Diese Leute begehen Massenmord an unserem Kollektiv, sie sind gegen Vielfalt, gegen Migranten, gegen den Sozialismus. Solche Nazis werden durch Donald Trump weiter radikalisiert – eine faschistische Figur, die Deutschlands Position zu Israel teilt. Die Rechten sind auch von Netanyahu inspiriert: Sie lieben Israel, weil es für sie ein hervorangendes Vorbild einer Ethnokratie ist und weil sie wollen, dass alle Juden die Länder, in denen sie jeweils leben, verlassen und nach Israel auswandern. Es ist heuchlerisch zu behaupten, dass diese Rechten Israel unterstützen, weil sie projüdisch sind. Sie sind sehr antisemitisch. Außerdem unterstützen längst nicht alle Juden die israelische Regierung. Ich bin US-Amerikaner – ich bin stolz darauf, hier aufgewachsen zu sein und liebe diesen Ort. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass die USA üble Dinge tun und die Rechte vieler Menschen mit Füßen treten. Wenn mir jemand sagen würde, er möchte die USA boykottieren, ich würde ich ihn auch unterstützen.

M&R: Als internationale Künstler ihre Auftritte auf Berliner Pop -Kultur-Festival abgesagt haben, weil es Netanjahu-Regierung kollaboriert, haben deutsche Medien vor allem die Beteiligten arabischstämmigen Musiker ins Visier genommen, obwohl die Mehrheit der Künstler, die sich dem Boykott angeschlossen hatten, gar keine Araber waren. Wie viel Rassismus steckt in der ganzen Debatte?

Kweli: Schon die Behauptung, BDS eine terroristische oder eine antisemitische Organisation, basiert vollkommen auf Rassismus. Ich bin ein schwarzer Mann mit einem arabischen Vornamen. Ich bereise die ganze Welt und bin an Flughäfen ständig Racial Profiling ausgesetzt. Ich weiß ganz genau, wie die Lage ist: Egal ob schwarze Menschen in den USA oder dunkelhäutige Menschen in Palästina, arme Nichtweiße werden immer dämonisiert und für alle Probleme dieser Welt verantwortlich gemacht. Ich war oft genug in Deutschland, um zu wissen, dass es hier sehr viele Rechte gibt, die gegen Migranten sind. Jetzt haben sie hauptsächlich arabische Menschen im Visier, aber ich weiß ganz genau, dass sie nicht zögern würden, auch mich zu töten. Man sieht es in Italien, in Großbritannien, in Deutschland, sie haben es auf uns alle abgesehen. Meine Helden – die Black Panthers, Angela Davis, Malcom X – wussten das und haben den palästinensischen Befreiungskampf deswegen seit jeher unterstützt.

M&R: Der Rassismus ist bis heute nicht überwunden. Im Gegenteil: Er wird aggressiver…

Kweli: Rassismus ist ein soziales Konstrukt. Er hat vor dem transatlantischen Sklavenhandel eigentlich in der Form, wie wir ihn kennen, nicht existiert. Natürlich waren Menschen auch vorher fremdenfeindlich und tribalistisch, aber die Idee, Weißsein sei eine Tugend, entstand als Rechtfertigung für die Sklaverei und um die Menschen gegeneinander aufzubringen. White Supremacy begann als eine Vor-Profit-Maßnahme und hat sich dann zu einer Ideologie entwickelt, die behauptet, das schlimmste auf der Welt seien der Sozialismus und der Kommunismus: Weltanschauungen, die uns zusammenbringen sollen gegen unsere Ausbeuter. Ich bin selber kein Kommunist, ich bin aber ein Schüler der Geschichte und ich weiß, das erste, was Nazis tun, wenn sie an die Macht kommen, ist die Kommunisten und Sozialisten anzugreifen und ihre rassistische Politik voranzutreiben.

M&R: Sie gelten als sehr politischer Musiker. Welche Rolle sollten kritische Künstler im Kampf gegen den globalen Rechtsruck einnehmen?

Kweli: Ich finde, wir sollten alle gemeinsam für die Beseitigung von White Supremacy kämpfen – überall, wo wir uns aufhalten. Ich habe zum Beispiel im vergangenen Jahr einen Auftritt in einem Klub in Oslo abgesagt, weil der Betreiber auch der rechten Black Metal Band Taake eine Bühne geboten hat. Das hat die Musiker natürlich sehr verärgert, und sie haben viel gegen mich gehetzt. Ich meine aber, es ist mein gutes Recht zu sagen: Unter diesen Umständen spiele ich nicht in eurem Klub. In solchen Fällen benutze ich meine Kunstfreiheit, um Position zu beziehen.

M&R: Können sich Ihre Fans bald mal wieder auf ein neues Album freuen?

Kweli: Ich arbeite zur Zeit weniger an Musikprojekten, sondern mehr an meiner Youtube-Sendung Vibrate Higher und an meinem Podcast People‘s Party. Das heißt, ich arbeite jetzt als Journalist und werde Ihren Beruf übernehmen.

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