Mieten steigen, Luxusbauten entstehen, schnieke Ökoläden prägen mehr und mehr den Kiez – so oder so ähnlich sieht das klassische Bild der Verdrängung aus. Nachdem sich diverse Immobilienspekulanten in Stadtfeld ausgetobt haben, gerade ärmere Schichten an den Stadtrand gedrängt wurden und ihr Jahrelanges Zuhause aufgeben mussten, greift nun der „grüne Kapitalismus“ um sich. So präsentierte sich das Team der „Bunten Butze“ stolz vor ihrem neuen Eigentum Ecke Annastraße/Hans-Löscher-Straße auf einem Foto in der Volksstimme. Neben Wohnraum soll dort unter anderem auch ein „Co-Workingspace“ entstehen. Alles soll umweltfreundlich und CO2-neutral sein. Gekonnt wird auf dem Foto der Friseursalon der Familie Bittmann verdeckt, der eine langjährige Traditionsgeschichte in Stadtfeld aufweist und seit 1987 von der Familie betrieben wird. Nun ist die Familie mit existentiellen Nöten konfrontiert: Ende des Jahres müssen sie weichen, viel zu wenig Zeit um eine neue Ladenfläche zu finden.
Auf der Website der Bunten Butze heißt es: „Die bunte butze ist ein Hausprojekt im Herzen von Stadtfeld, mit dem wir umweltverträglichen und gleichzeitig sozialen wie günstigen Wohnraum schaffen“. Zur „Bunten Butze“ gehören unter anderem Sarah Werner und Frithjof Anten, die in den Unverpacktladen „Frau Ernas Loser LebensMittelPunkt“ betreiben. In einem Interview mit dem Stadtmagazin „Dates“ geben sie sich auch hier nicht nur ökologisch, sondern auch sozial:
„Das Konzept heißt „Unverpackt, selbstgemacht, unperfekt“, ein Lebensmittelpunkt nicht nur für Lebensmittel, sondern auch ein Treff mit Kaffee-Angebot zum Austausch von Zero Waste-Anhängern oder Leuten aus der Nachbarschaft“.
Die soziale Ader der neuen Hauseigentümer scheint allerdings nur in der Selbstdarstellung eine Rolle zu spielen und versiegt genau dann, wenn es darum geht einer Familie die Existenzgrundlage weiterhin zu sichern. Hier zeigt sich, dass es nicht nur die bösen Immobilienhaie mit Schlips und Anzug sind, die dafür sorgen, dass Alteingesessene aus dem Viertel verdrängt werden, um einer zahlungskräftigeren Bewohnerschaft Platz zu machen.
Stadtfeld, mit seiner Nähe zur Innenstadt, boomt. Seit Anfang der 2000er Jahre wird saniert und neugebaut, was das Zeug hält. So schön das optisch oder bezogen auf die Wohnqualität auch sein mag, so problematisch entwickelt sich die Situation für Menschen, deren Einkommen mit den steigenden Mieten nicht mehr mitkommt.
Es scheint, als wolle man das unangenehme Thema Verdrängung durch das Vorschieben ökologischer und sozialer Motive salonfähig machen. Aber selbst wenn die Gentrifizierer so freigeistig daher kommen wie das Team der Bunten Butze, die Folgen für diejenigen, die nun gehen müssen, bleiben katastrophal. Kleingewerbetreibende wie Helga Bittmann bleiben häufig verschuldet und arbeitslos zurück. Wir kennen diese Entwicklung aus Großstädten wie Berlin oder Hamburg, in denen gerade der „grüne Kapitalismus“ für massive Verdrängungsprozesse sorgt. Begleitet werden diese Prozesse oftmals von sog. „Bürgerinitiativen“, wie hier in Magdeburg bspw. die „Bürger für Stadtfeld“ oder das Geschäftsstraßenmanagement „IM Magdeburg“. Solche Initiativen tragen letztlich nur dazu bei, einen möglichst profitablen und renditeträchtigen Stadtteil zu schaffen.
Seit vielen Jahren leisten wir gemeinsam mit verschiedenen Initiativen und Einzelpersonen Widerstand gegen die zunehmende Verdrängung und auch dieses Mal ist es mehr als notwendig, ein gemeinsames Zeichen der Solidarität zu setzen! Wir werden uns weiterhin vernetzen und selbstorganisiert eine gemeinsame Praxis gegen den Ausverkauf unseres Viertels entwickeln. Macht die Verdrängung von Familie Bittmann in eurem Bekanntenkreis zum Thema und konfrontiert die Verantwortlichen. Wir bleiben alle!
Die Bunte Butze in der Volksstimme:
https://www.volksstimme.de/lokal/magdeburg/hausprojekt-magdeburg-bekommt-eine-bunte-butze
Website der Bunten Butze:
https://buntebutze.de/ueber-uns/butzekern/
Website von Frau Ernas:
https://www.frau-ernas.de/kontakt
Infos zum kleinen Familienbetrieb von Hella Bittmann:
http://magdeburg-kompakt.de/index.php/kompaktspezial_reader/vor-ort-seit-30-jahren.html
http://hellas-frisiersalon.de/
FB-Kommentar Steven Bittmann vom Friseursalon dazu: https://www.facebook.com/magdeboogie/posts/2700904193486156