Basisnetzwerk organisiert sich in „Patriotischen Räten“. Ziele sind erneuter Wahlsieg von Präsident Chávez und kollektive Führung des Prozesses
amerika21.de
Logo des „Großen Patriotischen Pols“ bei einer Demonstration in Venezuela (Quelle)
Caracas. Der „Große Patriotische Pol“ (Gran Polo Patriótico, GPP) der venezolanischen Linken gewinnt an Form. Vor wenigen Tagen gründete das Basisnetzwerk in der Hauptstadt Caracas die ersten „Patriotischen Räte“, die als lokale Instanzen des Pols dienen sollen. Überall im Land sollen diese Räte von lokalen Basisorganisationen gebildet werden, um dann Sprecher zu einer nationalen Versammlung zu entsenden. Diese war ursprünglich für Donnerstag vorgesehen, dem venezolanischen Unabhängigkeitstag. Aufgrund der Krebsbehandlung von Präsident Hugo Chávez in Kuba wurde das Treffen jedoch verlegt.
Neben den territorialen Räten werden außerdem thematische Räte gegründet. So trafen sich am Dienstag Vertreter von Bauernorganisationen, um ihre Belange in der Wahlkampagne für die Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober zu koordinieren. Chávez erklärte nach dem Treffen, dass die dort gesammelten „Kritiken und Vorschläge“ in das Regierungsprogramm für die kommende Legislaturperiode einfließen sollten. Am Mittwoch kamen in Caracas Vertreter von stadtpolitischen Gruppen zusammen und am Donnerstag alternative und kommunale Medien. Ein weiterer Rat aus ehemaligen Guerillakämpfern der 1960er bis 1980er Jahre wurde am Mittwoch gegründet. Weitere Themenbereiche sind Wissenschaft und Technologie, Frauen, Ökologie, Transport, Menschen mit Behinderungen und kommunale Ökonomie.
Die Einrichtung des GPP wurde vergangenen Oktober bei einem großen Treffen von Vertretern diverser Basisorganisationen, der sozialistischen Partei (PSUV) und des Präsidenten beschlossen. Seitdem finden im ganzen Land Versammlungen statt, um dem Bündnis eine Struktur zu geben und die Inhalte zu definieren.
Ziel ist es zunächst, die Wahlkampagne für Hugo Chávez auf breitere Beine zu stellen und vor allem Aktivisten einzubinden, die außerhalb der PSUV arbeiten. Dies geht nicht zuletzt auf die Kritik vieler Basisorganisationen an der Partei des Präsidenten zurück. Diese wurde 2008 mit dem Versprechen gegründet, besonders demokratisch organisiert zu sein und der Basis weitest mögliche Mitspracherechte einzuräumen. Heute wird die Partei jedoch im Wesentlichen von Regierungsvertretern auf nationaler und regionaler Ebene kontrolliert und hat keine dauerhafte Struktur lokaler und regionaler Gliederungen. Die Kritiken beziehen sich deshalb vor allem auf den vertikalen Aufbau, mangelnde Transparenz, das Fehlen demokratischer Entscheidungsprozesse und die Fortsetzung klientilistischer Politikformen. Gerade diese Charakteristika hatten die Parteien der 1990er Jahre weitgehend diskreditiert und zum Aufstieg Hugo Chávez‘ geführt.
Über den Wahlkampf hinaus wollen die Basisorganisationen aber auch für ein Fortbestehen des GPP nach den Wahlen kämpfen, um auf dauer eine kollektive Führung des politischen Prozesses zu erreichen. Ähnliche Versuche waren bisher an zu geringer Vernetzung an der Basis und den Bürokratisierungstendenzen von Staat und Partei gescheitert.
Bereits bei vergangenen Wahlen hat sich das chavistische Lager im Patriotischen Pol zusammengeschlossen. Im Gegensatz zur Neugründung als „Großer Patriotischer Pol“ hatten sich darin bisher aber vor allem verschiedene Parteien zusammengeschlossen, die den bolivarischen Prozess unterstützten.