Tödliche Repression in Ni’lin

Seit 3 Monaten demonstrieren die Anwohner des Dorfes Ni’lin mutig und effektiv gegen den Bau der Apartheidanlage auf ihrem Land gemeinsam mit vielen israelischen und internationalen Unterstützern. Die israelische Armee und die Grenzschutzpolizei versuchen den Dorfwiderstand mit extremer Gewalt zu unterdrücken. Letzte Woche haben sie ein zehnjähriges Kind und einen siebzehnjährigen Jungen erschossen.

Das Dorf Ni’lin liegt westlich zu Ramallah und ist 5 Kilometer vom berühmten Dorf Bil’in entfernt. Auch dort wird die Apartheidanlage auf dem Land des Dorfes erbaut und raubt 2500 Dunam landwirtschaftliche Fläche auf dem ein neuer Friedhof für die nahe gelegene Siedlung Heschmona’im entstehen soll. Inspiriert durch den Kampf des Nachbardorfes Bil’in haben die Anwohner von Ni’lin entschieden, mit dem Konzept des „Popular Resistance“ (Muqawama Scha’abia) den Bau zu stören und zu sabotieren. Seit 3 Monaten haben die Dorfbewohner unter der Leitung eines Popular Committee (ein demokratisches Komitee in dem alle Familien des Dorfes vertreten sind) und zusammen mit vielen Internationalen und Israelis (hauptsächlich ISM oder AATW) starken und effektiven Widerstand geleistet.

Die israelische Armee und Magav (Grenzschutzpolizei – ähnlich den Carbinniari in Italien) haben auf den Protest unbewaffneten Männer, Frauen und Kinder mit den gewöhnlichen Mitteln reagiert: eine Unzahl von Tränengaskanistern, die auf die Demonstration wie auch in das Dorf und in die Häuser geschossen werden, wobei es unter den Soldaten sehr beliebt ist, diese Kanister nicht nur in einem hohen Bogen auf die Demonstration zu schießen, sondern in Höhe der Köpfe der DemonstrantInnen zu zielen. Der Einsatz von gummibeschichteten Metallkugeln gegen die DemonstrantInnen ist massiv, seien sie „friedliche“ oder „nicht-friedliche“ und natürlich werden auch die Metallkugeln nicht nur in Beinhöhe geschossen. Dazu verhaftet die Armee auch die Mitglieder des Popular Komitee (3 von ihnen sitzen jetzt im Knast des Militärs), versucht alle Wege zum Dorf für israelische AktivistInnen zu blockieren. Vor 3 Wochen hat die Armee auch eine allgemeine Ausgangssperre über das ganze Dorf verhängt hat sie aber wegen des starken Widerstands der 5000 Anwohner und durch die Solidarität anderer Dörfer nicht durchsetzen können.

Für die Armee war es in den letzten Wochen sehr peinlich geworden, nachdem eine Videoaufnahme eines siebzehnjährigen Mädchens veröffentlicht wurde, das zeigt, wie ein israelischer Soldat nach einer Demo im Dorf einen gefesselten Palästinenser anschießt, was international Aufmerksamkeit erregt. Die Reaktion der Armee auf diese Veröffentlichung war die Festnahme des Vaters dieses Mädchens in einer Demonstration zwei Tage danach. (die Video und mehr Information zum fall http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,567068,00.html
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,568809,00.html

Die immer weiter steigende Repression gegen das Dorf erreichte letzte Woche seinen Höhepunkt. Am Dienstag, dem 29.7., fand eine große Demonstration statt, die brutal von der Armee angegriffen wurde, was zu vielen Verletzungen führte. Nach der Demo, , hatte eine Gruppe von Kindern versucht, einen von der Armee neugelegten Stacheldraht zu beseitigen. Ein Jeep der Magav ist vorbei gefahren und hat die Kinder mit Gummigeschossen beschossen. Die Kinder haben die Flucht in Richtung des Dorfes ergriffen aber der zehnjährige Ahmad Musa hat während der Flucht seinen Schuh verloren. Er ging zurück um ihn zu finden, als er jedoch zum Zaun zurückkam, wurde er von einem Magavpolizisten mit scharfer Munition aus einem M-16 Gewehr in den Kopf geschossen. Seine Brüder und Freunde mussten ihn einen Kilometer zum Dorf tragen, wo er von einer Ambulanz zum Krankenhaus nach Ramallah gefahren wurde, ohne die Begleitung seines Vaters, der von den Soldaten am Checkpoint nicht durchgelassen wurde. Das Krankenhaus erreichte das Kind nur noch tot.

Am Tag danach, dem 30.7., fand die Beerdigung von Ahmad Musa im Dorf statt. Als der Zug der Trauernden zum Friedhof ging, wurde er von den Soldaten mit Tränengas beschossen. Empört und wütend haben die Jugendliche vom Dorf nach der Beerdigung demonstriert und Barrikaden aufgebaut, um den Zugang zum Dorf zu blockieren. Die Soldaten haben versucht in das Dorf einzumarschieren wobei es ihnen erst nach einigen Stunden gelang. In dieser Zeit stand der siebzehnjährige Yousef Amireh im Hof seines Hauses und hat die Auseinandersetzung beobachtet. Ein Jeep der Magav ist neben sein Haus gefahren und als er 10 Meter von Yousef entfernt war, beschoss ihn ein Magavpolizist mit drei gummibeschichtete Metallkugel. Zwei Kugeln haben Yousef in den Kopf getroffen und drangen in seinen Gehirn ein. Er wurde ins Krankenhaus gebracht wo festgestellt wurde, dass er klinisch tot ist. Heute morgen, dem 4.8, ist er im Krankenhaus verstorben.

Am selben Tag haben israelische AktivistInnen gegen den Mord von Ahmed Musa in Tel Aviv demonstriert, ohne zu wissen, dass in der gleichen Zeit schon ein anderer Junge ermordet wurde. Die AktivistInnen haben vor dem Haus von Ehud Barack, dem Verteidigungsminister, demonstriert und für einige Minuten auch die Straße daneben blockiert, bis sie von den Bullen geräumt wurden.

Am Freitag, dem 1.8., fand noch eine große Demonstration statt im Gedanken von Ahmed Musa. Die Demo ging zu dem Ort, wo Ahmed Musa erschossen wurde und die Dorfbewohner haben auf dem Land gebetet. Am Ende des Gebets haben die Soldaten eine Closed Military Zone ausgerufen und die DemonstrantInnen mit Waffen bedroht. Blind vor Wut über die letzten Tagen und den Mord an den zwei Kindern, haben die DemonstrantInnen die Armee ignoriert und haben die Reihen der Soldaten durchbrochen um den Stacheldraht, an dem Ahmed Musa sein Leben verloren hat, wegzuziehen. Trotz des Tränengases und des Einsatzes von Gummigeschoss, gelang es ihnen 300 Meter Stacheldraht zu beseitigen.

Heute starb Yousef Amireh im Krankenhaus an seinen Verletzungen und das Dorf bereitet sich für die Beerdigung vor, die heute um 18:00 stattfinden soll. Das Popular Komitee hat für weitere Demonstrationen in dieser Woche aufgerufen und hat erklärt, dass sie trotz der mörderischen Repression weiterkämpfen werden, bis ihre Länder zurückgegeben werden.

Die Direkte-Aktions-Gruppe „Anarchisten gegen die Mauer“ schrieb heute in einer Pressemitteilung an die israelischen Medien :“ .. Yousef Amireh ist der dreizehnte Tote des Popular Resistance gegen den Zaun in dem auch Tausende verletzt wurden. Dieser Kampf wurde von Anfang an mit beispielloser Repression seitens der Sicherheitskräfte begleitet, eine Repression, die sich jeden Tag verschärft. Die Soldaten benutzen tödliche Mitteln um Männern, Frauen und Kinder, die gemeinsam gegen den Raub ihres Landes protestieren, zu zerstreuen.

Wir hoffen, dass alle Menschen die über den Tod von Yousef Amireh lesen, durch das Lügengewebe der israelischen Propaganda durchschauen und dass es ihnen gelingen wird, die Gesichter der Menschen zu sehen, die unbewaffnet gemeinsam gegen den Landraub kämpfen. Möge das Andenken von Yousef Amireh selig sein.“

Yousef ist der achte Minderjährige und der dreizehnte Mensch, der während Protesten gegen die Apartheidanlage getötet wurde. Die andere 12 sind:

Ahmed Husan Yousef Mousa, 10 Jahre alt.
Mohammad Fadel Hashem Rayan, 25 Jahre alt.
Zakaria MaHmud Salem, 28 Jahre alt.
Abdal Rahman Abu Eid, 62 Jahre alt.
Mohammad Daud Badwan, 21 Jahre alt.
Diaa Abdel Karim Abu Eid, 24 Jahre alt.
Hussain mahmud Awwad Aliyan, 17 Jahre alt.
Islam Hashem Rizik Zhahran, 14 Jahre alt.
Alaa Mohammad Abdel Rahman Khalil, 14 Jahre alt.
Jamal Jaber Ibrahim Assi, 15 Jahre alt.
Odai Mofeed Mahmud Assi, 14 Jahre alt.
Mahayub Nimer Assi, 15 Jahre alt.

Bis heute wurden keine Soldaten oder Polizisten wegen der Tötung von Demonstranten angeklagt.

Für mehr Information und Bilder

awalls.org
israel.indymedia.org
flickr.com/activestills
palsolidarity.org

Update

Auch die Beerdigung von Yousef Amireh wurde jetzt von der Armee mit Tränengas und Gummigeschoss angegrifen, es gibt einige Verletzte im Dorf.

Morgen wollen die Anarchisten vor dem Haus des Sameriam Generalbrigadier Aviv Reshef demonstrieren. Der Aufruf auf English ist unten

17 year old Yusef Amira who was shot in the head last week died this morning.

A demonstration against the murderous policies of the army towards to popular resistance to the wall
Tomorrow, Tuesday, in front of the home of Brigadier General Aviv Reshef

Yusef Ahmad Yunes Amira, 17 years old, was shot by a border police officer last Wednesday in Nilin and died of his injuries today. After the end of the funeral procession of Ahmad Mousa, the 10 year old who was murdered the previous day at a demonstration against the wall, border police troops invaded the center of the village shooting rubber coated metal bullets everywhere. A border police officer shot Amira in the head with two bullets from a distance of less than 10 meters while he was in his driveway. Amira was pronounced brain dead when he reached the hospital and died this morning.

Yusef Amira is the 13th casualty of the popular struggle against the wall which has also included thousands of injured. This struggle has been met from its beginning with unprecedented repression which keeps escalating
every day. The soldiers use lethal means to attack demonstrations of Women Men and children who protest together the theft of their lands.

The escalation by the army in Nilin is the direct responsibility of Brigadier General Aviv Reshef. All war criminals from policy makers to those who carry it out should be held responsible. Tomorrow we take that message to Reshef’s home.

Aviv Reshef and his neighbors ought to know:
There is no immunity for murderers in uniform.
Resisting the occupation does not end at the green line
The responsibility does not end when the green uniforms are shed.

The demonstration will leave tel aviv at around 16:00
If you can make it Please call Keren today at 052-3541456
From Haifa please call Uri 052-8330046
Please call tonight and not tomorrow so we can arrange for transportation.
The success of the demo depends on it.

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