COBAS zum Skandalurteil von Genua

In einer Presseerklärung vom 14.11.2008, verbreitet u.a. über ihre Website www.cobas.it, nahm der Sprecher der linken Basisgewerkschaft Confederazione COBAS, Piero Bernocchi zu dem Skandalurteil in Sachen Bullenüberfall auf die Diaz-Schule in Genua im Juli 2001 Stellung. Bernocchi (61) war einer der Organisatoren der Anti-G8-Proteste in Genua 2001 und ist bis heute im Koordinationsgremium des Europäischen Sozialforums (ESF) aktiv.

Am 13.November 2008 wurde das Urteil im Prozess gegen 29 italienische Polizisten wegen des blutigen Überfalls auf schlafende Anti-G8-Demonstranten in der Diaz-Schule in Genua am 21.Juli 2001 gesprochen. Trotz erdrückender Beweise, zahlreichen brutal zusammengeschlagenen, unbewaffneten Demonstranten (darunter drei Schwerverletzte) und zwei nachweislich von der Polizei eingeschmuggelten Molotow-Cocktails wurden 16 Mitglieder der staatlichen Schlägertruppe frei gesprochen (darunter alle höherrangigen Chargen). 13 Schergen der Polizia di Stato wurden zu lächerlich geringen Haftstrafen von maximal vier Jahren verurteilt, wobei – nach aller Erfahrung mit der italienischen Justiz – damit zu rechnen ist, dass auch diese Urteile in der zweiten Instanz weiter reduziert, wenn nicht sogar kassiert werden.

Ein sehr empfehlenswerter BBC-Bericht vom 15.7.2008 über das Schicksal und die Einschätzung des in jener Nacht vor der Diaz-Schule von den „Ordnungshütern“ grundlos zusammengeschlagenen und lebensgefährlich verletzten, britischen Indymedia-Journalisten Mark Covell, der einen Lungenriss, acht Rippenbrüche und einen Handbruch erlitt, darüber hinaus 16 Zähne verlor und zwei Tage im Koma lag, zeigt warum dieses staatliche Massaker noch heute weithin als „die chilenische Nacht“ bezeichnet wird (siehe http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/7507620.stm).

Pressererklärung:

Niederträchtiges Urteil wegen des Massakers in der Diaz-Schule

Wir hatten es befürchtet. Aber das Urteil wegen des von Delinquenten in Uniform während der Anti-G8-Proteste in Genua 2001 verübten Massakers in der Diaz-Schule hat die finstersten Erwartungen noch übertroffen. Milde Urteile für eine sehr kleine Gruppe von Urhebern der „chilenischen Schlächterei“. Alle anderen und insbesondere die Verantwortlichen der Kommandoketten der „Unordnungskräfte“, die sich – genau wie in der Bolzaneto-Kaserne – darin übten, die Demonstranten zu terrorisieren, zu foltern und zu massakrieren, um ihnen die Lust am Protest gegen die bestehenden Verhältnisse zu nehmen, wurden freigesprochen.

Die Genueser Prozesstrilogie endet auf verheerende Weise: Monströse Verurteilungen zu zehn Jahren Haft für Demonstranten, die beschuldigt werden, Schaufenster eingeschlagen zu haben und massenhafte Freisprüche oder sehr milde Strafen für die Folterer der Bolzaneto-Kaserne und die Schlächter der Diaz-Schule.

Das ist ein entsetzliches Signal, ähnlich denen lateinamerikanischer Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts von Argentinien bis Chile. Die Polizeiapparate bleiben für die Demokratie undurchdringliche Gebilde, separat und bedrohlich, in der Lage mir nichts dir nichts alle Mittel einzusetzen (massenhaftes Verprügeln, Folterungen, Massaker an Wehrlosen, Verdunkelung und Fälschung von Beweisen), um die Proteste zu ersticken, wenn der soziale Konflikt wirklich stark werden sollte.

Die Verantwortung für all das trägt aber in erster Linie die institutionelle Politik, die in diesen sieben Jahren die die in Genua praktizierte, buchstäbliche „Vergewaltigung“ der Bewegung gefördert, gedeckt und ihr die Absolution erteilt hat. Nicht nur die Mitte-Rechte, die direkt dafür verantwortlich war, sondern auch die Kräfte der Mitte-Linken wollten niemals Licht in die Geschehnisse bringen. Stattdessen verteidigten und beförderten sie die Verantwortlichen der Kommandoketten von Genua. ((Insbesondere die Polizeichefs De Gennaro und Manganelli.)) Und sogar die Partei, die in jenen Mobilisierungen am stärksten präsent war – der Partito della Rifondazione Comunista (Partei der Kommunistischen Neu/be/gründung – PRC) – pflichtete am Ende in Gestalt ihres ehemaligen Maximo Leaders Fausto Bertinotti der Vorstellung bei, dass die Antiglobalisierer (oder ein Teil von ihnen) gewalttätig gewesen seien. Mittel war dabei seine absurde, instrumentelle und zwanghafte Kampagne „gegen die Gewalt“ innerhalb der friedlichsten (an Masochismus grenzenden) Bewegung, die Italien jemals erlebte.

Die Botschaft, die daraus folgt, ist klar und deutlich: Die Bewegungen sind allein. Sie können nicht auf den Rechtsstaat und noch weniger auf irgendeine Verteidigung in den Institutionen zählen. Das werden wir uns merken. Der parteiübergreifenden und korrupten oligarchischen Macht aber sagen wir mit den Worten der ((aktuellen)) großen Schüler- und Lehrerbewegung: Ihr macht uns keine Angst. Wir werden Eure Krise nicht bezahlen! Und Ihr werdet die Bewegungen mit Dingen wie der Diaz-Schule oder der Bolzaneto-Kaserne nicht aufhalten!

Piero Bernocchi, Confederazione COBAS

((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern: Gewerkschaftsforum Hannover))

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