Ca. 15.000 auf israelischen Friedensdemos

Mit Blick auf den Aktionstag der israelischen Friedensbewegung am Samstag brachte die von Rifondazione Comunista herausgegebene Tageszeitung „Liberazione“ am 3.1.2009 ein Interview mit dem arabisch-israelischen Pazifisten, Bürgerrechtsaktivisten und Leiter des Mossawa Centre, Jafar Farah.

Die übergroße Mehrheit der Israelis unterstützt weiterhin das Massaker ihrer Regierung im Gaza-Streifen, zugleich entwickelt sich aber auch die Friedensbewegung in erstaunlichem Tempo und Ausmaß, auch wenn manche Prognosen etwas zu rosig ausfallen. Folge waren beim zweiten landesweiten Aktionstag am Samstag, den 3. Januar 2009 mehrere Demos für und gegen den Krieg am selben Ort. Dabei demonstrierten laut einem Bericht von Associated Press in der linksliberalen Tageszeitung „Haaretz“ vom 3.1.2009, 23:15) in Tel Aviv „Tausende Menschen“ der unterschiedlichen Gruppen. Die Polizei habe Schwierigkeiten gehabt, die beiden konträren Lager zu trennen. Zu Zusammenstößen sei es allerdings nicht gekommen.

Der rechten „Jerusalem Post“ vom 3.1.09 (19:19 Uhr) zufolge protestierten in der im Norden Israels gelegenen Stadt Sakhnin „mehr als 10.000 Menschen gegen die Operation Gegossenes Blei“. Nach Auskunft der Organisatoren handelte es sich bei der Aktion, an der auch mehrere arabische Knesset-Abgeordnete wie Muhammed Barakei von der KP Israels (Maki) und dem linken Wahlbündnis Hadash sowie Jamal Zahalka von der Balad-Partei teilnahmen, um den „größten Protest im arabisch-israelischen Sektor seit Jahren“. Für Mohammed Barakeh war die Demonstration „ein weiterer wichtiger Schritt, auf den wir stolz sind und eine weitere Etappe im Kampf der Friedenskräfte und der arabischen Bevölkerung gegen das Massaker an den Menschen in Gaza. Diese Demonstration ist die Antwort auf all jene, die auf die Motivation der israelischen Araber gesetzt haben, deutlich Stellung gegen die rassistische und Besatzungsmentalität zu beziehen.“ Der Balad-Vorsitzende Jamal Zahalka forderte unter dem Beifall der Demonstranten Ministerpräsident Olmert, Verteidigungsminister Barak, Außenministerin Livni und Generalstabschaf Ashkenazi wegen ihrer Rolle bei der Ermordung von Zivilisten im Gaza-Streifen vor ein internationales Kriegsverbrechergericht zu stellen. („Haaretz“ 3.1.09) Die Gegendemonstration der rechtsradikalen Vaterlandspartei Israel Beiteinu des ehemaligen Kneipentürstehers und zwischenzeitlichen „Strategieministers“ Avigdor Lieberman, die bei den Knessetwahlen 2006 9% der Stimmen und 11 Sitze erhalten hat, fiel hier mit 100 Teilnehmern recht kläglich aus. Was sie nicht an der lautstarken Verbreitung ihrer rassistischen Parolen, wie „Keine Bürgerrechte ohne Loyalität!“ hinderte.

Jafar Farah, Pazifist und Leiter des Mossawa Centre:

„In Tel Aviv werden wir 20.000 gegen das sinnlose Massaker sein“

Francesca Marretta – Jerusalem

„Heute in Tel Aviv werden wir zwanzigtausend sein.“ Das verspricht Jafar Farah, der Leiter des Mossawa Centre für die Bürgerrechte der arabischen Bürger Israels. Heute findet in Israel der Aktionstag gegen den Krieg statt. Die Friedensbewegung hat zwei Demonstrationen organisiert. Die erste in Sakhnin im Norden Israels um 13 Uhr und die andere in Tel Aviv ab 18 Uhr. Die Mehrheit der israelischen Bevölkerung ist für den Krieg. Heute wird es deshalb in Tel Aviv auch eine Gegendemonstration israelischer Bürger geben, die wenige Meter vom Rabin-Platz, wo sich die Pazifisten versammeln, Fahnen mit dem Davidsstern schwenken werden. Der antipazifistische Protest wurde organisiert, um „die Manifestation der linken Aktivisten einzudämmen und Solidarität mit den Bewohnern Südisraels zu zeigen, die unter der Bedrohung der von Gaza aus abgeschossenen Kassam-Raketen leben.“

Jafar Farah (41 Jahre), volle schwarze Haare und braune Augen betont, dass „seit einer Woche jeden Tag in Israel Demonstrationen gegen den Krieg stattfinden“ und dass „heute in Israel nicht nur politische Aktivisten demonstrieren, sondern auch die arabische Bevölkerung Israels und auch viele Juden in Massen kommen werden“. Nach Ansicht des Leiters des Mossawa Centre wird dieser Krieg in Gaza für den Mittleren Osten verheerende Folgen haben.

„Die Zustimmung zum Krieg ist vorläufig stark. Wenn man allerdings bedenkt, dass zwanzig Prozent der israelischen Bevölkerung aus Arabern besteht und dass meiner Einschätzung nach mindestens zehn Prozent der israelischen Juden dagegen ist, dann sind wir bereits eine Opposition von dreißig Prozent. Dies widerspricht der Position der israelischen Regierung, die diesen Krieg als etwas verkauft, das von allen unterstützt wird. Unterstützung gibt es, aber es gibt auch Opposition. Das ist dieselbe Situation wie während des ersten und des zweiten Krieges im Libanon. Wir wollen, dass man die Stimme derjenigen hört, die sich gegen den Krieg wenden und wir glauben, dass sich die Opposition gegen den Krieg auf einen größeren Teil der jüdischen Bevölkerung Israels ausdehnen wird. Zum Ende des Krieges im Libanon hin war die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung davon überzeugt, dass er falsch ist. Vielleicht wird sich der Stimmungswandel nicht gleich morgen vollziehen, aber wenn es soweit ist, werden alle begreifen, das unsere Position die richtige ist.“

Welche Auswirkung hat die Lage in Gaza auf das Verhältnis zwischen der arabischen Community und der jüdischen Mehrheit in Israel?

„Spannungen gibt es. Aber die Situation unterscheidet sich von der vor zwei Jahren von Ort zu Ort. Nehmen wir zum Beispiel Haifa, die Stadt, in der ich lebe und wo es – genau wie in Nazareth – eine starke Vertretung israelischer Araber gibt. Als Haifa jeden Tag bombardiert wurde und es Tote und Verwundete gab, existierten Spannungen auf der persönlichen Ebene. Heute, wo der Konflikt Gaza und den Süden des Landes betrifft, sind die Spannungen politischer Art. Es ist klar, dass im Süden die Situation anders ist.“

Bist Du mit den Vergleichen einverstanden, die zwischen der heutigen Lage in Gaza und dem Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah vor zwei Jahren gezogen werden?

„Die Lage in Gaza ist schlimmer als im Libanon, weil es isoliert ist. Im Libanon konnten die Menschen, auch wenn sehr viele Leute getötet wurden, zumindest in andere Länder fliehen. Aus Gaza kann man nicht abhauen. Die Verwundeten sterben im Krankenhaus, weil die Zustände schon vor den Bombenangriffen katastrophal waren.“

Die israelische Regierung zeigt sich selbstverständlich davon überzeugt, dass es ihr – anders als im Libanon – gelingen wird, den Raketenbeschuss aus Gaza zu stoppen. Was meinst Du dazu?

„Ich glaube, dass die israelische Führung aus der Erfahrung nicht lernt. In Gaza werden Kriegsverbrechen begangen, die nicht dazu dienen, die Hamas zu stoppen. Die Islamisten in Gaza werden keine Waffenruhe akzeptieren. Zumindest in der näheren Zukunft nicht. Das ist ein Spiel, bei dem es nur Verlierer gibt. Die Palästinenser haben bereits mehr als 4.000 Menschen verloren, aber auch Israel zahlt einen Preis und wird ihn weiter zahlen. Auf diese Weise schafft sich Israel weitere Feinde. Diejenigen, die die Entscheidung getroffen haben, die Massaker in Gaza zu erlauben, sind auf der Suche nach Feinden, nicht nach Frieden. Und das im gesamten Mittleren Osten.“

((Außenministerin)) Livni hat in Paris gesagt, dass die Hamas nicht nur der Feind Israels sei, sondern auch der Kräfte und der Länder in der Region, die für den Dialog sind.

„Die Regierungen sind langfristig betrachtet nicht wichtig. Es sind die Völker der Region, die zählen. Immer weniger Leute glauben heute, dass Israel den Frieden will. Die Libanesen glauben es nicht mehr. Ich betone, dass es unter den israelischen Juden zehn Prozent gibt, die gegen den Krieg sind – plus die Araber. Aber die anderen 70%, die dafür sind, senden in den Mittleren Osten die Botschaft, dass ihrer Ansicht dies die Art ist, wie man mit den Palästinensern und den Arabern im Allgemeinen umgehen sollte. Um im Mittleren Osten zu leben, müssen sie zeigen, dass sie mit uns zusammen leben wollen!“

Was werden die Konsequenzen sein?

„Es wird immer weniger Leute geben, die an den Frieden im Mittleren Osten glauben und immer mehr, die davon überzeugt sind, dass die Gewalt der einzige Weg ist. Es war ein Erfolg für die Hisbollah ihre Thesen ((in der Praxis)) unter Beweis zu stellen. Das heißt, dass Israel kein Partner für den Frieden ist. Dies ist die Botschaft, die die arabische Welt erreicht. Zehn Jahre Friedenprozess mit den Palästinensern haben zu nichts geführt. Genau wie die Waffenruhe mit der Hamas die Abriegelung von Gaza nicht beendet hat. Das ist die Message, die Israel verbreitet.“

((Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in doppelten Klammern: * Rosso))

Der Name * Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover

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