Angriff auf die Pressefreiheit in Irland – In Belfast gilt kein Quellenschutz
Von Peter Kleinert
Die britische Polizei in Nordirland (Police Service of Northern Ireland – PSNI) hat die Belfaster Korrespondentin der in Dublin erscheinenden Zeitung Sunday Tribune, Suzanne Breen, aufgefordert, ihr alle Informationen und Materialien zu übergeben, die sie im Zusammenhang mit Recherchen für zwei Artikel über die Real IRA („die wahre IRA“) gesammelt hatte. Falls sie dies nicht tue, werde man gegen sie mit Hilfe der britischen Anti-Terrorismus-Gesetzgebung rechtlich vorgehen. Dann drohen der Journalistin bis zu fünf Jahre Gefängnis.
Am 27. April erhielt Suzanne Breen Besuch der PSNI in ihrem Haus in Belfast. Dabei wurde ihr mitgeteilt, sie müsse innerhalb von drei Tagen Handys, CD’s, Computer und Notizen im Zusammenhang mit ihren Artikeln über die bewaffnete republikanische Organisation übergeben. In einem der Artikel hatte die Journalistin Anfang März über die Erschießung zweier britischer Soldaten in der Massereene-Kaserne in der nordirischen Grafschaft Antrim berichtet. Sie hatte nach dem Anschlag auf die Soldaten beim Einkaufen in einem Supermarkt einen Anruf mit einem Code-Wort erhalten, in dem sich die Real IRA, eine Abspaltung der IRA, dazu bekannte. Nach der Veröffentlichung hatte sich der frühere IRA-Kommandeur und heutige Sinn-Féin-Politiker und stellvertretende Erste Minister von Nordirland, Martin McGuinness, gegenüber dem Belfast Telegraph über Journalisten aufgeregt, die der Real IRA zuviel Aufmerksamkeit schenkten und “diese Leute“ dadurch unterstützten.
Der zweite inkriminierte Artikel war ein Interview mit einem Vertreter der Armeeführung derselben Organisation. Darin bekannte sich der Sprecher der Real IRA u.a. zur Ermordung des Provisional Sinn Féin-Politikers Denis Donaldson, der lange für den britischen Geheimdienst gearbeitet hatte. Donaldson war Funktionär der nationalistischen Partei, Berater des Parteipräsidenten Gerry Adams und ein Freund des IRA-Kämpfers Bobby Sands gewesen, der 1981 im Hungerstreik starb.
Die Rolle der britischen Polizei
„Ich werde den Forderungen des PSNI nicht nachkommen. Quellen weiterzugeben unterminiert die Pressefreiheit. Journalisten und die Polizei machen unterschiedliche Arbeit. Unsere Aufgabe ist es, Informationen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Sobald ein Journalist zum Beweissammler oder Zeugen für den Staat wird, hört er auf Journalist zu sein“, erklärte Suzanne Breen nach dem Besuch der PSNI-Polizisten. In einem langen Artikel in der Sunday Tribune vom 3. Mai ergänzte sie dies: Sie werde nicht ihr Leben aufs Spiel setzen, um den Job der PSNI zu machen. „Es ist Aufgabe der Polizei, die für diese Taten Verantwortlichen vor Gericht zu bringen. Die Informationen, die ich über die beiden Anschläge habe, wurden in dieser Zeitung veröffentlicht.“ Im Übrigen werde die Polizei nur in ganz bestimmten Fällen tätig, während sie andere geflissentlich ignoriere. Mitglieder der loyalistischen Terrorgang Ulster Defence Association (UDA) hätten sich einst in einem Interview mit ihr gebrüstet, den Katholiken Mickey Edwards neben seiner Frau im Ehebett erschossen zu haben. Deshalb sei sie nie von der Polizei kontaktiert worden. Auch nicht, als sie 1993 für die Irish Times Mitglieder des Inner Council der UDA interviewte, die irische Regierungspolitiker und führende Politiker der nordirischen Social Democratic Labour Party (SDLP) zu “legitimen Angriffszielen“ erklärt hatten.
Vergangene Woche teilte ein Belfaster Richter nach einer geheimen Anhörung eines Polizeibeamten zu dem “Fall Breen“, er sei geneigt, dem Ersuchen des PSNI stattzugeben und die Journalistin zu zwingen, der Polizei die gewünschten Materialien auszuhändigen. Breen dürfe nun binnen einer Woche ihre Position darlegen. Dazu Suzanne Breen nach einer ersten Anhörung vor einer Richterin: „Ich werde die Informationen über meine Quellen ins Grab mitnehmen.“
Solidarität
„Unsere Zeitung steht hinter unserer Redakteurin aus dem Norden“, so die Herausgeberin der der Sunday Tribune, Nóirín Hegarty. „Unsere Berichte waren im öffentlichen Interesse. Wir haben immer journalistische Ethik hochgehalten und unsere Informanten geschützt und wir werden dies auch in Zukunft auf diesem hohen Niveau machen.“ Diese Position wird von der Journalistengewerkschaft NUJ unterstützt. Ihr Generalsekretär Jeremy Dear sagte: „Wenn die Polizei und die Sicherheitskräfte glauben, sie können Journalisten dazu drängen, Teil der Informationsbeschaffung [für den Staat] zu werden, bedroht dies die gesamte Zukunft des unabhängigen Journalismus.“ Die Behörden müssten die Besonderheit journalistischen Materials sehen und „Suzanne Breens Recht, ihre Informanten geschützt zu halten, respektieren.“ Der irische Sekretär der NUJ, Séamus Dooley, fügte hinzu: „Die Sunday Tribune hat große Verdienste in der Verteidigung der Pressefreiheit. Wir begrüßen die Haltung der Zeitung auch in dieser Frage.“ Die Gewerkschaft hat für Suzanne Breen inzwischen eine Solidaritätskampagne gestartet.
Die NGO British Irish Rights Watch schrieb eine Protestnote an den Oberoffizier der PSNI, Hugh Orde. Darin erklärte die NGO-Vorsitzende Jane Winters: „Ein Journalist kann nicht wählen, welche Quellen geschützt werden. (…) [Denn] ein Journalist, der auch nur einen Informanten preisgibt, stellt den gesamten Journalismus in ein negatives Licht, wodurch die Öffentlichkeit den Eindruck bekommt, Journalisten nicht mehr trauen zu können.“
Deutschen Zeitungen, die über Eingriffe in die Pressefreiheit z.B. in Russland immer mal wieder berichten, scheint der “Fall Breen“ bisher nicht erwähnenswert. Zwar hatte die Süddeutsche Zeitung in ihrer online-Ausgabe vom 8. März aus Suzanne Breens Artikel zur Ermordung der beiden englischen Soldaten ausführlich zitiert. Über die Folgen des Artikels für die Autorin findet man jedoch trotz angestrengter Google-Suche in der SZ keine Zeile. (PK)
Solidaritätsadressen an protectsources@nuj.ie.